V. Heinrich der Löwe, Herzog von Braunschweig

[448] 56. Heinrich der Löwe, Herzog von Braunschweig.

Die Geschichte Heinrichs des Löwen, wie sie oben besungen worden ist, fällt alleinig dem Sagenkreise anheim, die Geschichte weiß nur, daß er im gelobten Lande war und ruhig heimkehrte. Der tapfere und viel besprochene Held, lebend in der Zeit, wo die Sagen leicht emporwuchsen (1129 bis 1195), der eines Löwen Muth besaß und in dem Vaterlande der Mährchen, im Orient gewesen war, konnte gar leicht zu dem Helden einer solchen Mähre werden und ward es, da seinen in Erz gegossenen Leichenstein ein Löwe schmückte, in dem die Sage den treuen Begleiter, der auf seinem Grabe gestorben war, erblickte, nicht mehr an die sinnbildliche Bedeutung denkend.

Die Erzählung dieser Sage blieb nur in dem mitgetheilten Gedichte, das alten Ursprung in dem kernhaften, treuen Ausdrucke, in den mehrfach verwandelten, und auf alte Worte zurückführenden Reimen, wenn die Reime nicht gänzlich übergangen werden sollen, bewährt, übrig. Görres in seinen Volksbüchern S. 91-93 würdiget es treffend, mit wenigen, durchgreifenden Zügen. Eine Handschrift blieb uns nicht übrig, nur als Volksbuch wandelt es noch umher und geht hier[449] unverstümmelt von Generazion zu Generazion, wie zwei vor mir liegende Drücke, ein älterer und ein neuerer, beweisen. Ueber das wenig Literarische verweise ich auf den Grundriß der Altdeutschen Poesie, von von der Hagen und mir. (Berlin 1811.) S. 185. Dort fehlen indessen, durch ein Versehen, ein paar Notizen, die ich hier nachbringen will. Hans Sachs hat Buch IV. Th. 2. Bl. 57. a. bis 59. a. eine Historia, von ihm am 23sten Mai 1562 verfertiget. Dramatische Bearbeitungen finde ich: eine Oper von 1696. Gottsched's nöthiger Vorrath zur dram. Dichtkunst. (Leipzig 1757.) Vorr. I. 263. Vom Jahre 1697 eine Oper von Fiedler, gedruckt zu Braunschweig. Gottsched a.a.O.I. 265. Vom Jahre 1716 ebenfalls eine Oper zu Braunschweig gedruckt (vielleicht eine neue Auflage der vorigen.) Gottsched a.a.a.O.I. 290. Im zweiten Theile S. 264 erwähnt Gottsched: Herzog Heinrich der Löwe, in einem Hochdeutschen Singspiel, mit großg. Erlaubnis eines Hochedelen Raths d.R.R. freyen Stadt Augspurg, aufgeführet Anno 1698. Gedruckt allda bey Joh. Christ. Wagnern. 8.

Deutlich und unverkennbar ist es, daß andere Sagen auf dieses Gedicht einen großen Einfluß gehabt haben, ja daß es eigentlich aus dreien Sagen zusammengesetzt ist. Der Greif, welcher den Ritter[450] ins Nest führt, erinnert an Herzog Ernst, dem ein Gleiches geschah. Ritter Iwain, dessen Thaten Hartmann von der Aun besang, erschlug einen Lindwurm, der mit einem Löwen kämpfte, und der Löwe ward nun sein treuer, unwandelbarer Begleiter. Wie aber der Teufel den Herzog durch die Lüfte führt, werden wir an den edlen Möringer erinnert, dessen Schicksale auch ein Lied besingt, das in den Volksliedern von mir und von der Hagen (Berlin 1807.) S. 102-115 steht. Der Möringer wird durch einen Engel herübergeführt, Heinrich der Löwe muß aber selbst siegreich des Teufels Macht niederkämpfen. – Die Erkennung durch den in den Becher geworfenen Ring ist allgemeines Eigenthum jener Zeit und mehreren Sagen, Volksliedern, Romanen gemein, gleich wie es mehrere solch übereinstimmende Anklänge im Mittelalter giebt, so wie Worte und Reden, die vielfach wiederkehren.

Quelle:
Johann Gustav Büsching: Volks-Sagen, Märchen und Legenden. Leipzig 1812, S. 448-451.
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