95. Seefrauen.

[67] Einem Forbacher Holzhauer, welcher beim Herrenwieser See beschäftigt war, brachte ein Weiblein aus demselben Monate lang das Mittagsessen; er sollte aber, wie sie[67] ihm gleich Anfangs gesagt, es niemand offenbaren. Seiner Frau fiel endlich auf, daß er das Essen, welches sie ihm mitgab, meistens zurückbrachte, und sie fragte ihn so lange und dringend um die Ursache, bis er ihr dieselbe entdeckte. Als er am andern Tage wieder beim See arbeitete, kam das Weiblein mit zwei Gebund Stroh und sagte, daß sie ihm, weil er die Sache ausgeplaudert, kein Essen mehr bringe, ihm jedoch zum Abschiede noch die zwei Bunde Stroh schenke, die er sorgfältig bewahren solle. Hierauf ging sie nach dem See zurück. Trotz ihrer Ermahnung, warf der Mann auf dem Heimwege das Stroh weg; ein Hälmchen aber blieb ihm am Aermel hängen, das er zu Hause in Gold verwandelt fand. Eilig begab er sich nun auf den Platz, wo er das Stroh hingeworfen, allein da war nichts mehr zu finden.

Einst holte ein Seeweiblein die Forbacher Hebamme, um einer Frau im See bei deren Niederkunft beizustehen. Als sie an ihn kamen, schlug das Weiblein mit einer Ruthe hinein, worauf das Wasser sich theilte, und sie trockenen Fußes, eine Treppe hinab, in schöne Gemächer gelangten. In einem derselben lag die Frau, und mit Hilfe der Wehmutter wurde sie glücklich entbunden. Zum Lohn erhielt die Hebamme ein Bündel Haberstroh, welches sie, noch im See, verächtlich wegwarf. An ihrem Schuh blieb aber ein Halm hängen, und als sie aus dem Wasser war, fand sie ihn in eitel Gold verwandelt. Nun bereute sie zu spät, das Bündel weggeworfen zu haben.

An hohen Festen pflegten Seejungfrauen nach Forbach in die Kirche, und an Fastnacht und Kirchweihe in das Löwenwirthshaus zum Tanze zu kommen. Sie waren zart und schön, wie aus Milch und Blut, hatten die Tracht der Schwarzwälderinnen und Röslein auf den Strohhüten.[68] Um zehn Uhr des Abends mußten sie stets zu Hause seyn, und darum gingen sie immer früh vom Tanzboden weg. Einmal aber verspätete sich eine von ihnen, welche eine Liebschaft mit einem Forbacher Burschen hatte, und als er sie zum See begleitete, bat sie ihn, am Ufer zu warten, wenn sie ins Wasser gestiegen sey. Werde dieses dann milchweiß, so habe sie kein Leid erfahren; werde es aber blutig, so sey sie, wegen ihrer Verspätung, umgebracht worden, und er solle eiligst entfliehen, sonst koste es auch ihm das Leben. Nicht lange hatte der Bursch gewartet, so sah er im See Blut emporsteigen und ergriff schleunig die Flucht. Nachher sind keine Seejungfrauen mehr nach Forbach gekommen.

Quelle:
Bernhard Baader: Neugesammelte Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 2, Karlsruhe 1859, S. 67-69.
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