336. Die Hexe und der Mühlknecht.

[307] Eine Müllersfrau zu Mannheim, die eine Hexe war, begab sich alle Mittwochs- und Freitags-Nacht zum Hexentanz, welcher im Feld unter einem großen Baume stattfand. Wenn sie dahin wollte, that sie einen Strohwisch oder ein Stück Holz, dem sie durch Blendwerk ihre Gestalt gab, zu ihrem Manne ins Bett, ging dann in die Kammer des Lehrjungen, über den sie Gewalt hatte, legte dem Schlafenden einen Zaum an, verwandelte ihn in ein Pferd und ritt darauf hinaus. Ebenso kehrte sie später wieder heim, und der Junge erwachte am Morgen ganz ermüdet in seinem Bett, ohne von dem Vorgang etwas zu wissen. Weil er darüber außerordentlich abmagerte, schöpfte der Mühlknecht Verdacht, daß es nicht mit rechten Dingen zugehe. Derselbe hatte früher bei einem Scharfrichter gedient und von ihm manche geheime Künste gelernt. Nachdem er sich mit dem Jungen besprochen, mußte dieser in der nächsten Freitagsnacht mit ihm die Schlafstätte wechseln. Zur gewöhnlichen Zeit kam die Frau an das Bett, worin jetzt der Knecht lag, zäumte denselben, in der Meinung, es sei der Junge, auf, gab ihm Pferdsgestalt und ritt auf ihm davon; was er alles ruhig geschehen ließ. In der Nähe der Hexenversammlung band sie ihn an einen Baum, nahm ihm den Zaum ab und begab sich zu dem Feste. Als dasselbe zu Ende war, wollte sie ihm wieder den Zaum[307] anlegen, er aber warf ihn schnell ihr über, verwandelte sie in ein Pferd, saß in seiner wahren Gestalt auf und sprengte nach der Stadt und gerade vor eine Schmiede. Dort ließ er das Pferd an allen Vieren beschlagen, ritt dann in die Mühle und ging, das Pferd sich selbst überlassend, zu Bette. Am Morgen gab sich die Müllerin für krank aus und hüllte sich sorgfältig in die Bettdecke aber ihr Mann, welchem allein der Knecht die Sache entdeckte, zwang sie, ihm ihre Hände und Füße zu zeigen, woran die Hufeisen noch festsaßen. Diese nahm er ihr zwar ab, jedoch mußte sie ihm hoch und theuer versprechen, sich zu bekehren, vornehmlich der Hexerei auf immer zu entsagen, was sie auch, mit Gottes Beistand, treulich erfüllt hat.

Quelle:
Bernhard Baader: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 1, Karlsruhe 1851, S. 307-308.
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