416. Bräutigamsschau.

[368] Am Christabend sagte eine Gamburger Frau zu ihrer Magd: sie solle in der Nacht um zwölf Uhr, wenn alles in der Mette und sie im Hause allein sei, sich ganz ausziehen, dann, rückwärtsgehend, von der Thüre dem Fenster zu die Stube kehren, und ihr bei ihrer Rückkunft erzählen, was sie gesehen habe. Ohne zu wissen, was die Frau hiermit wolle, folgte ihr das Mädchen; aber unter dem Kehren sah sie plötzlich ihren Herrn am Tische sitzen und lief voll Scham in ihre Kammer. Als sie nachher ihrer zurückgekommenen Frau Vorwürfe machte, daß sie ihr das Daheimbleiben ihres Mannes verschwiegen habe, welcher beim Kehren in der Stube gewesen sei, erschrack dieselbe heftig und erwiederte: »Dein Herr war mit mir in der Kirche; ich aber lebe nun nicht[368] mehr lange, denn wisse, dir ist dein künftiger Mann erschienen.« Kurze Zeit darauf starb auch die Frau in Folge des Schreckens, und ein Jahr später wurde das Mädchen von dem Wittwer geheurathet.

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Bernhard Baader: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 1, Karlsruhe 1851, S. 368-369.
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