228. Spukende Tonne.

[182] Das Kirchdorf Buchholz hat, wie fast alle alten Dörfer, einen Teich mitten im Dorfe. Durch das Dorf geht die alte Landstraße von Bützow nach Rostock. Auf diesem Wege, von Süden her, vom sogenannten Kirchende kommt alle Nacht eine Tonne ins Dorf gerollt und stürzt sich in den Teich. Obgleich sie Niemandem Schaden zufügt, der sie zufällig auf ihrer Wanderung sieht, so ist es doch bei allen solchen Erscheinungen nicht gut, wenn man absichtlich darauf ausgeht, sie zu sehen oder zu beobachten. Ein solcher Fürwitz wird allemal bestraft. Es fand sich einmal im Dorfe ein beherzter Knecht, der bei einem Bauer diente, dessen Gehöft an dem bezeichneten Wege lag. Dieser Knecht stellte sich eines Abends so, daß er die Tonne sehen konnte, wenn sie ankommen und im Teiche verschwinden würde; und zur Vorsicht hatte er alle Thüren hinter sich offen gestellt, daß er im Nothfalle nach seiner Schlafstelle bei den Pferden flüchten könnte. Als nun indeß die Zeit herankam, worin die Tonne herbeizurollen pflegte, da ergriff den Neugierigen eine solche Angst und Beklommenheit, daß er in vollem Laufe nach seiner Lagerstätte eilte. Aber auf der großen Diele des Viehhauses, über welche sein Weg ihn führte, erhielt er einen so derben Schlag ins Gesicht, daß er fast alle Besinnung verlor und kaum das Bett erreichen konnte. Die Nacht verbrachte er schlaflos und schweißtriefend zu, auch war er mehrere Tage zur Arbeit unfähig. Es war freilich nur eine Harke gewesen, die auf der Diele gelegen und dem Knechte, da er darauf getreten, den Schlag versetzt hatte; aber es war doch die Strafe seiner unbesonnenen Neugierde und er konnte froh sein, daß ihm nicht Aergeres widerfahren war.


J.G.C. Ritter bei Niederh. 2, 162f.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 182-183.
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