294. Das Todtenhemd.

[227] Eine Frau hatte sich, wie es früher Sitte war, schon bei Lebzeiten ihr Todtenhemd gefertigt. Als sie gestorben, dachte ihre[227] Schwiegertochter, ein weniger gutes Hemde thäte es auch. Sie behielt daher das Todtenhemd für sich und zog der Todten ein altes schlechtes Hemd an. Kaum aber war die alte Frau beerdigt, als Abends sich in der Stube eine Stimme hören ließ ›Ik will min Hemd hebben.‹ Das wiederholte sich alle Abend und hörte nicht auf, als bis man der Todten das richtige Hemd aufs Grab gelegt hatte.


Lehrer F. Haase in Rostock.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 227-228.
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