14.

[10] Eine arme Frau in Klein-Sien saß am Sylvesterabend allein in ihrem Gedinge und wünschte sich, doch auch etwas zu haben, was sein Bett bei ihr hätte und das tägliche Brot mit ihr äße. Da tönte es mit einemmale vom Groß-Tessiner See wie Hundegekläff[10] herüber. Allerhand Hunde, Rekel, Töle und Wölpse wufften, bellten und heulten durcheinander. Das Getümmel kam immer näher. Wie nun die Frau auf die Straße schaute, hörte sie ein schwarzes, lahmes Hündlein am Zaune erbärmlich wimmern. Sie lief hin, holte den Hund und trug ihn an die warme Ofenecke. Der Hund aber näherte sich dem Backtrog und fraß die sieben hausbackenen Brote der Frau wie einen Bissen. Da erkannte die Frau, daß es kein gewöhnlicher Hund war; sie behielt ihn aber doch bei sich und nahm ihn Nachts in ihr Bett und theilte ihr Brot mit ihm; sie konnte aber das ganze Jahr Brotes nicht satt werden, denn der Hund war gar nicht zu befriedigen. Am nächsten Sylvesterabend hörte sie die wilde Jagd wiederkommen, der Wod warf ihr einen Schoß voll blanker Goldgulden durch's Fenster in den Backtrog und sagte ›Dat is dorvör, dat du minen Hund 'n ganz Jor utfod't hest.‹ Dann jagte er weiter und der Hund, der bei der Frau geblieben, lief mit.


Lehrer Lübstorf in Raddenfort.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 10-11.
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