Der Springbrunnen.

[81] Dein Auge, armes Lieb, ermattet,

Die Wimpern senkend ruhe lang

Von müder Anmut überschattet,

Nun dich die Freude ganz bezwang.

Der Springbrunn, der im Hofe flüstert,

Uns Tag und Nacht sein Murmeln schenkt,

Bleibt dem Entzücken hold verschwistert,

In das die Liebe mich versenkt.


Der Strahl, der schlank sich hebend

In Garben blüht,

Drin Phöbe Flimmer webend

So sanft erglüht,

Fällt, Tränen niederbebend,

Im Duft versprüht.


So schwingt, entzündet von dem Funken

Der Lust, die deinen Busen schwellt,

Sich deine Seele kühn und trunken

Zu ferner Himmel Lichtgezelt.

Dann sinkt sie im Vergehen wieder

In einer Flut von bangem Schmerz,

Die unsichtbaren Pfads hernieder

Hinabtropft in mein tiefstes Herz.


[82] Der Strahl, der schlank sich hebend

In Garben blüht,

Drin Phöbe Flimmer webend

So sanft erglüht,

Fällt, Tränen niederbebend,

Im Duft versprüht.


O du, so schön in nächtgen Schatten,

Wie süß hört, über dich geneigt,

Die Klage sich, die ohn Ermatten

Vom Marmorbecken weinend steigt!

Mond, heilges Dunkel, Wasserschauer,

Gezweig, aus dem ein Rauschen quillt –

Die reine Schwermut eurer Trauer

Ist meiner Liebe Spiegelbild.


Der Strahl, der schlank sich hebend

In Garben blüht,

Drin Phöbe Flimmer webend

So sanft erglüht,

Fällt, Tränen niederbebend,

Im Duft versprüht.

Quelle:
Baudelaire, Charles: Blumen des Bösen. Leipzig 1907, S. 81-83.
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Die Blumen des Bösen (Auswahl)
Die Blumen des Bösen
Les Fleurs du Mal /Die Blumen des Bösen: Franz. /Dt
Die Blumen des Bösen: Französisch/Deutsch
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Die Blumen des Bösen