Elfte Szene.

[304] Baron Ringelstern. Katharine. Ernestine. Katharine setzt sich in die Laube zum Stickrahmen, Ernestine steht bei ihr.


BARON für sich. Sie nahmen meinen Gruß freundlich auf, sie setzt sich, mir im Angesicht, in die Laube. Das ist eine offenbare Invite. Da wollen wir gleich ein bißchen plänkeln. Nähert sich den Frauen. Ist es einem neugierigen Fremdling vergönnt, das schöne Werk so schöner Hände zu betrachten?

KATHARINE. Warum nicht? Doch ist die Arbeit kaum zur Hälfte fertig.

BARON. Wie nett, wie geschmackvoll! Amor, den ein Mann mit der Tabakspfeife verscheucht – welch ein allerliebster Gedanke! Selbst erfunden?

KATHARINE. Aus dem Leben gegriffen.

BARON. Ich war von jeher ein Feind des Tabakrauchens. – Und wie vortrefflich die Farben gewählt sind! Hier das Grün, das Goldgelb – nur dort wünschte ich eine hellere Schattierung.

KATHARINE. Wo?

BARON indem er Ernestine sanft beiseite drängt, und sich im Gespräch zu Katharinen setzt. Hier, sehen Sie, hier!

KATHARINE macht Miene aufzustehen. Meinen Sie?

BARON der es nicht zuläßt. Gewiß, gnädige Frau – ich verstehe mich auf weibliche Arbeit – das Gewand des Amor ist ein bißchen zu dunkel gehalten.

KATHARINE etwas pikiert über seine Vertraulichkeit. Das finde ich nicht –

BARON schmeichelnd. Vergeben Sie, gnädige Frau – aber –[304] das Auge des Fremden sieht deutlicher. Wie gesagt: Amors Gewand ist zu hell, der Mann mit der Pfeife präsentiert sich zu elegant. Zu Ernestine, indem er ihr winkt, sich zu entfernen. Nicht wahr, mein Kind?

KATHARINE. Ernestine!

ERNESTINE. Gnädige Frau! Stellt sich an ihre Seite.

KATHARINE leise zu Ernestinen. Was ist das für ein Mensch?

ERNESTINE ärgerlich. Das ist eben auch wieder einer, der Sie liebenswürdig findet!

BARON leise zu Ernestinen. Allez-vous-en!

ERNESTINE. Gnädige Frau!

KATHARINE. Was gibt's?

BARON bedeutet Ernestinen, zu schweigen. Liebes Kind, ich bitte um ein Glas Wasser.

KATHARINE steht rasch auf. Mein Herr, Sie werden sich irren. Diese Laube gehört zu meiner Wohnung, und das ist mein Mädchen.

BARON etwas bestürzt, folgt ihr. Um Vergebung, gnädige Frau – ich wollte Sie nicht beleidigen.

KATHARINE stolz. Das hoff' ich.

BARON wieder gefaßt. Ihre Schönheit scheint ganz der Sonne zu gleichen; sie brennt, wenn man sich ihr nähert.

KATHARINE. So bleiben Sie im Schatten.

BARON. Sehr gern: in Ihrem Schatten, und wenn Sie es erlauben, als Ihr Schatten.

KATHARINE. Sie erlauben sich eine sonderbare Sprache gegen eine Dame, die Sie gar nicht kennen.

BARON. Eine Dame? – Nun ja! Ein Dame, die ich gerne kennen lernen möchte.

KATHARINE. Und welche Ihr Verlangen nicht teilt. Verbeugt sich kurz.

BARON. Halt! Schöne Prinzessin!

KATHARINE. Prinzessin?

BARON. Oder Tänzerin –

KATHARINE. Ha!

BARON. Erste Tänzerin – primma donna – das sind Sie ja doch! Und ich bin primo amoroso.

KATHARINE. Mein Herr! Sie mögen mich beleidigt haben aus Torheit oder bösen Willen – seien Sie versichert, daß ich wissen werde, mir Schutz und Genugtuung zu verschaffen. – Komm, Ernestine! Beide ab.


Quelle:
Eduard von Bauernfeld: Ausgewählte Werke in vier Bänden. Band 1, Leipzig [o.J.], S. 304-305.
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