Dritter Auftritt

[317] Welting. Baldinger.


WELTING. Im Gegentheil! Sie machen den Lebendigen Platz. – Ich staune, Herr Baldinger! Sie in Besitz einer Standesherrschaft? Wollen[317] wir Halbpart machen? Wir sind freilich Gegner –

BALDINGER. Gegner?

WELTING. Allerdings. Denn ich bin es, der Ihre Cousine in dem Erbschafts-Prozeß gegen Sie unterstützt.

BALDINGER. So? Es kommt schwerlich zum Prozeß. Das Kammergericht wird die Sache zurückweisen, und das Schiedsgericht wird zu meinen Gunsten entscheiden; denn ich bin im Besitz und im Recht.

WELTING. Im Recht! Je nun! Sie sind ein reicher Mann, Herr Baldinger, und Ihre Cousine lebt nach und nach fast in Dürftigkeit – ich dächte man versuchte einen Vergleich.

BALDINGER. Einen Vergleich? Und worüber? Ueber mein Recht, das klar am Tage liegt?

WELTING. Schon wieder das Recht! Es liegt gar mancherlei am Tage; man zündet ihm noch Laternen an, und sieht's doch nicht. – Sie wollen sich also nicht vergleichen?

BALDINGER. Nimmermehr.

WELTING. Ich sehe, Sie sind ein harter Mann. Genug davon.

BALDINGER. Sie sagen, meine Cousine lebe in Dürftigkeit?

WELTING. Ihr Gemal, der Kammerherr, hatte ihr Vermögen längst durchgebracht, der Onkel hat sie enterbt, und sie prozessirt. Sie ist von aller Welt verlassen – bis auf mich.

BALDINGER. Auch vom Baron?

WELTING. Sie ließ ihn nicht mehr vor.

BALDINGER. Und er?

WELTING. Suchte sie nicht mehr auf.

BALDINGER. Er liebt sie also nicht?

WELTING. Nichts weniger! Es war ein flüchtiger Umgang – weiter nichts. Der gewöhnliche Lauf der Welt: wenn Freunde nicht mehr zusammen kommen, kommen sie auseinander.

BALDINGER. Und Sie unterstützen Herminen? Das darf nicht sein. Zwar – wissen Sie was, Herr Welting? Fahren Sie fort meine Cousine zu unterstützen; legen Sie mir in's Geheim Rechnung, ich vergüte Ihre Auslagen.

WELTING. Sie prozessiren gegen sich selbst?

BALDINGER. Gleichviel! Ich weiß, daß ich obsiegen werde; aber ich will meine leichtsinnige Cousine vor ihrem Untergang bewahren. Allein verschweigen Sie ihr –

WELTING. Ohne Sorge. Für sich. Hast du Grund zu schweigen, so hab' ich Ursachen zu verschweigen.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 317-318.
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