Vierter Auftritt

[323] Sekretär. Hermine. Kanzellist.


HERMINE nähert sich. Herr Sekretär –

SEKRETÄR. Noch Jemand! Madame –

HERMINE. Hermine von Löwenberg, Witwe des Kammerherrn von Löwenberg.

SEKRETÄR. Gnädige Frau –

HERMINE. Ich führe Prozeß mit einem entfernten Anverwandten über den Nachlaß meines Onkels.

SEKRETÄR. Verzeihen Sie, gnädige Frau, allein der Fall gehört nicht hieher.

HERMINE. Ich weiß, Herr Sekretär, doch Se. Excellenz der Herr Minister waren ein Freund meines Gemals; ich kam daher nur, um mich Raths zu erholen. Das Recht ist gewiß auf meiner Seite, wenigstens die Billigkeit.

SEKRETÄR. Das glaubt gewöhnlich eine jede Partei. Darf ich fragen: wer ist Ihr Gegner?

HERMINE. Franz Baldinger.

SEKRETÄR. Der reiche Fabriksherr? Die industrielle Celebrität? Das ist schlimm.

HERMINE. Schlimm? weßhalb?

SEKRETÄR. Ihr Gemal war ein Freund Sr. Excellenz, Herr Baldinger ist es. In diesem Augenblick befindet er sich bei dem Herrn Minister.

HERMINE. Bei dem Minister!

SEKRETÄR zuckt die Achsel. Bei solcher Lage der Dinge – da übrigens die Sache durchaus nicht in den Ressort des Ministeriums – – Horchend nach der Seitenthüre. Die Audienz geht zu Ende! Mit Ihrer Erlaubniß, meine Gnädige! Eilig ab, nach dem Seitenzimmer.

HERMINE. Der Cousin ein Freund des Ministers! Meine letzte Hoffnung ist gescheitert.

SEKRETÄR kommt zurück, nimmt den Hut. Ihr Diener, Madame – gnädige Frau! – Zum Kanzellisten. Herr Kanzellist Benecke, Sie können nun speisen gehen. Ab durch die Mitte.

KANZELLIST im Hintergrund, kommt aus dem Verschlag, bürstet den Rock u.s.w. Speisen? Aber was? Ein Supernumerär speist nicht; er ist froh, wenn er essen kann. Ab.


Hermine entfernt sich langsam.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 323.
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