Eilfter Auftritt.

[87] Vorige. Susanne. Antonio.


SUSANNE eine Börse in der Hand, herbeieilend. Halten Sie ein, gnädiger Herr! Die Heirath findet nicht statt; ich zahle Marzellinen mit der Mitgift, welche die Frau Gräfin mir geschenkt.

GRAF in vollem Zorn abgehend. Muß auch sie sich noch hineinmischen! Die ganze Hölle ist gegen mich verschworen.

ANTONIO auf die Umarmung zeigend, die Susanne bisher nicht bemerkt. Sieh da, sieh da, du kannst dein Geld sparen; er zahlt schon selber.

SUSANNE sich abwendend. Ich sah genug. Gehen wir, Oheim!

FIGARO sie aufhaltend. Was sahst du?

SUSANNE. Meine Thorheit, deine Schlechtigkeit.

FIGARO. Weder eines, noch das andere!

SUSANNE. Heirathest du sie etwan nicht, da du sie so zärtlich umarmst?

FIGARO. Ich umarme sie und heirathe sie doch nicht.

SUSANNE. Und ich, ich heirathe dich auch nicht, aber – ich prügle dich Gibt ihm einen Backenstreich.

FIGARO sich die Wange reibend. Das nenn' ich eine Liebe! Aber Suschen, höre doch! Ehe du fortläufst, sieh dir diese wackere Frau doch einmal ordentlich an.

SUSANNE Marzellinen messend. Ich sehe sie an.

FIGARO. Wie findest du sie?

SUSANNE. Abscheulich.

FIGARO. Es lebe die Eifersucht; sie schmeichelt nicht!

MARZELLINE die Arme ausbreitend. Komm auch du in meine Arme, liebes Suschen! Der Bösewicht, der dich so plagt, ist – mein Sohn!

SUSANNE. Er? ihr – du, seine Mutter! Sie fällt in Marzellinens Arme.

ANTONIO. Und erst eben ist sie ...

FIGARO einfallend. Meine Mutter geworden, ja!

MARZELLINE. Ach mein Herz zog mich längst zu dir, es war die Stimme der Natur, die nur über ihren Grund sich täuschte.[87]

FIGARO. Und mein Verstand hielt mich von dir zurück. Aber gehaßt habe ich dich niemals. Hätte ich sonst von dir borgen können?

MARZELLINE. Nimm deinen Schein zurück. Er sei meine Mitgift. Reicht ihm das Papier.

SUSANNE. Hier eine zweite! Steckt ihm in die andere Hand eine volle Börse.

FIGARO. Dank, Dank!

MARZELLINE. O meine Kinder, umarmt mich fest und innig. Ihr seid mein ganzes, mein einziges Glück! Sie weint. So soll denn der Abend meines armen Lebens noch sich aufklären und mich für eine trübe Vergangenheit schadlos halten.

FIGARO. Halt' ein, liebe Mutter, halt' ein. Oder willst du meine Augen im Wasser ihrer ersten Thränen dahinschmelzen sehen? Dem Himmel sei Dank, es sind Freudenthränen. Fast hätte ich mich ihrer geschämt, ich versuchte sie zurückzuhalten. Fahre hin, falsche Scham! Ich will weinen und lachen zugleich; ein Augenblick wie dieser wiederholt sich nicht im Leben. Er umarmt Susannen und Marzellinen.

FRIEDENSRICHTER sich die Augen mit dem Schnupftuch trocknend. Wie rüh-rüh-rührend! Ich glaube, die Ju-Justiz weint mit!

FIGARO noch in der Umarmung zwischen Susannen und Marzellinen stehend. Schicksal, nun trotz ich dir! Triff mich, wenn du es vermagst, zwischen diesen zwei Herzen.

ANTONIO. Gemach, gemach, Herr Bartkratzer! Unter anständigen Leuten ist's Sitte, daß erst der Vater heirathet, dann der Sohn.

BARTHOLO. Ich Vater zu einem solchen Taugenichts? Nimmermehr!

ANTONIO. Stiefmütterlicher Vater! Wenn das ist, gibt's auch für uns keine Hochzeit nicht!

SUSANNE. Oheim!

ANTONIO. Die Tochter meiner Schwester geb' ich nicht her an Einen, der nicht einmal einen Vater hat.

FRIEDENSRICHTER. Einen Va-a-ater hat natürlich Jedermann, a-a-aber ...[88]

ANTONIO. Aber meine Nichte kriegt der da Auf Figaro deutend. doch nicht. Er eilt ab.

FIGARO. Sind denn alle Narren der Welt gegen meine Hochzeit losgelassen?


Quelle:
Beaumarchais [Pierre-Augustin Caron de]: Figaro's Hochzeit. Leipzig [o. J.], S. 87-89.
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Figaros Hochzeit oder Der tolle Tag
Die Figaro-Trilogie: Der Barbier von Sevilla oder Die nutzlose Vorsicht / Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit / Ein zweiter Tartuffe oder Die Schuld der Mutter