164. Friedrich der Löwensieger

[130] Graf Huno von Oldenburg war auch ein frommer und rechter Mann, der lebte zu den Zeiten Kaiser Konrad des Saliers und wurde von diesem Kaiser zu einem Reichstag nach Goslar beschieden. Aber über den Übungen seiner Frömmigkeit vor Gott und über guten Werken verabsäumte er den Fürstentag, weshalb Übelgesinnte ihn übler und aufwieglerischer Gesinnung ziehen und den Zorn des Kaisers gegen ihn erregten. Und der Kaiser gebot, Graf Huno solle seine Unschuld durch ein Gottesurteil beweisen oder als Aufrührer sterben. Er solle auf Tod und Leben mit einem ungeheuern, grausamen Löwen kämpfen. Nun hatte Graf Huno einen jungen freudigen Sohn, der war stark und gewandt und mutvoll, der begleitete seinen Vater an des Kaisers Hof und trat für seinen Vater als Kämpfer ein, denn Graf Huno war alt und wäre dem grimmen Löwen wohl leicht erlegen. Beide gelobten der heiligen Jungfrau, wenn ihnen der Sieg zufiele, ein reiches Stift zu gründen. Vor dem Kampfe ersann der junge Graf von Oldenburg eine List, er ließ eine Puppe von Stroh und Leinwand lebensgroß anfertigen und dieselbe ritterlich bekleiden, so daß sie einen Mann vorstellte, die trug er vor sich her, und als der Löwe ihm entgegensprang, warf er ihm die Puppe entgegen, darauf fiel er den Löwen an, während der Löwe den Strohmann zerriß, und besiegte ihn ohne Verletzung. Der Kaiser war froh und umarmte den jungen Helden, schenkte ihm seinen eigenen Schwertgurt und seinen Ring und belehnte ihn mit vielen Gütern. Lange Zeit sind von diesem Löwensiege im Friesenlande Lieder gesungen worden.

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Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 130.
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