186. Prinzessin Thüra

[147] Auf der Thürenburg beim kleinen Danewerk saß vor langen Zeiten eine Königstochter, die hieß Thüra, nach ihr ist auch der Berg genannt. Nun kam dazumal ein fremder Prinz, um sie zu freien, der war aber so häßlich, daß niemand ihn ersehen konnte, auch die Prinzeß nahm ihn höchst ungern, konnte es ihm aber nicht abschlagen. Endlich fiel sie auf einen Rat. Kurz vor der Hochzeit nahm sie mit dem Bräutigam einen Spazierritt auf dem alten Wall nach Hollingstede vor, da ging damals noch eine Inbucht von der Westersee herein. Auf dem Rückweg ließ die Prinzessin ihr Schürztuch fallen, als ob der Wind es ihr entführte. Da sagte der Prinz: Prinzessin, Ihr habt Euer Schürztuch fallen lassen, wollt Ihr es nicht mitnehmen? – Darauf antwortete sie: Ei, wenn Ihr ein redlicher Ritter seid, so solltet Ihr, junger Herr, doch selbst absteigen und mir das Tuch aufheben! – Da ritt er hin zur Stelle und bückte sich vom Roß, und die Prinzessin ritt auch hin, zog, wie er sich bückte, sein Schwert rasch aus der Scheide und hieb ihm den Kopf ab. Als sie nun nach Hause kam und gefragt wurde, wo sie denn ihren Bräutigam gelassen habe, da sagte sie: Ach, wir ritten den alten Wall entlang, da sind die Unholde über uns gekommen und haben dem Prinzen den Kopf abgeschlagen, ich aber bin hinweggeritten. – Da wurde der Tote aufgesucht und in einen Riesenberg (Hünengrab) gelegt, auf das Eperstorfer Feld, wo man es in den Dreibergen nennt.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 147.
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