286. Graf Erpo von Padberg

[206] Auf der Burg Bukke, später Bocke, die auch aus den alten heidnischen Sachsenzeiten herstammte, saß ein Graf von Padberg und Flechtorp, der war von wilder und jäher Gemütsart und schonte nichts, wenn erst sein Zorn gereizt war. So hatten sich einmal die Einwohner des Dorfes Horhusen, das jetzt nicht mehr vorhanden, gegen den Grafen aufgelehnt, und er brach alsbald[206] auf, das Strafamt zu üben, alles zu ermorden und den Ort niederzubrennen, denn in jener Zeit parlamentierten die Herren nicht erst ein langes und breites mit dem Aufruhr. Da nun die Rache ihren Anfang nahm und die ersten Häuser bereits brannten, so liefen einige Einwohner voll Schreck und Entsetzen in die Kirche zum heiligen Martyrer Magnus, rissen das Kruzifix vom Altar und trugen es dem Wüterich entgegen, beim Bilde des Gekreuzigten um Schonung und Gnade flehend. Graf Erpo aber wollte nichts davon wissen, er schlug mit seinem Schwert auf das Bildnis unsers Erlösers, daß die Dornenkrone gleich in Stücke zersprang und zur Erde fiel. Aber im selben Augenblicke durchzuckte des Grafen Hand ein jäher Schmerz, das Schwert entfiel ihr, und die Finger verkrummten. Da erkannte der Graf die strafende Hand Gottes, ließ ab von Ausübung seiner Rache, begabte die Kirche des heiligen Magnus, erbaute ein Kloster zu Flechtorp und brachte in dasselbe die Gebeine des heiligen Landelin, die früher in Bocke verwahrt waren, und die Bischof Badured im Jahre des Herrn 836 aus Cambray erhalten und der Pfarrkirche des alten Ortes Bukke geschenkt hatte. Graf Erpo starb ohne Erben, und all sein Gut fiel dem Kloster Flechtorp zu.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 206-207.
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