641. Rübezahls Gunstgenossen

[428] Die Gunst des Gebirgsherrn erweist sich vielfach gütig, hülfreich, mitunter etwas schadenfroh, etwas herb, er gibt selten ohne eine gewisse Laune, wenn er überhaupt noch gibt, doch hat er viele Glückliche gemacht. Einem armen Bäuerlein, das aufs Gebirge ging, Holzäpfel zu sammeln, erschien der Berggeist in Gestalt eines rußigen Köhlers, führte es unvermerkt in seinen Garten, da gab es Holzäpfel, doch nicht zu viele. Der Bauer nahm deren, trug sie heim, bewahrte sie zum Winter auf; als er sie dann seinem Kind an das Christbäumchen hing, waren sie so schwer; der Bauer schälte einen, da waren das Kernhaus und die Kerne von purem Golde, und der Glückliche löste fünfzig Dukaten daraus. Eine Kräutersammlerin verirrte sich auf dem Gebirge, der Geist erschien ihr in Gestalt eines Bauers, zeigte ihr den rechten Weg, warf aber die von ihr gesammelten Kräuter aus ihrem Korbe und streifte Baumblätter ab, womit er ihn füllte. Als ihr Führer sie verlassen hatte, fand sie die Kräuter, die sie brauchte, nochmals am Wege stehen und schüttete die Baumblätter aus dem Korbe, daß nur einige wenige darin hängenblieben, aber diese wenigen waren, da sie nach Hause kam, feines Dukatengold. Vergebens rannte sie zurück, die weggeworfenen Blätter[428] zu suchen. Eine andere arme Frau kletterte mühsam an den Felsen umher, die Fruchtknöpfe von wilden Rosensträuchen, Hanebutten genannt, zu pflücken und zu sammeln; als sie diese aufbewahrt hatte und zu einer andern Zeit nach Warmbrunn zu einem Wirt tragen wollte, der sie in die guten Weinsüpplein für die Badegäste brauchte, da fand sie in goldne Knöpfe ihre Hanebutten verwandelt. Eine andere Frau pflückte Holunderbeeren zum Hollermus, darauf man tüchtig schwitzt, und welches die Wassersucht kurieren soll; wie sie herunterkam, hingen an jeder Dolde statt der Holunderbeeren braune Körnlein gediegenen Goldes.

Ein armes Mädchen, das in die Erdbeeren ging, hatte, als es nach Hause kam, statt der Erdbeeren ihr Töpflein voll Dreier, Gröschlein und Dukaten – einen schönen Brautschatz.

Ein Handwerksbursche kam auf einen Erbsenacker des Berggeistes, dessen Trivialname schon auf einigen Ökonomiebetrieb hindeutet, fand köstliche Schoten, stillte damit seinen Hunger und Durst, und es fielen ihm auch noch ein paar in die Tasche. Zufällig griff er, nachdem er schon lange aus dem Gebiet des Geistes heraus war, in die Tasche, fand die Schoten und kernte sie aus. O Wunder, Goldkörner waren die Erbsen! Jetzt wollte sich der Bursche im Leib zerreißen und wäre gern vor Ärger geplatzt wie das Rumpelstilzchen im Kindermärchen, um nur den in sich hineingefressenen Reichtum wiederzuerlangen – allein was einmal durch die Gurgel gejagt ist, ist hin. Spornstreichs rannte der Bursche zurück, den Schotenacker zu suchen und Vorrat zu pflücken. Ja – guten Morgen!

Ein durstiger Reisender kam an den schwarzen Teich, den man Rübezahls Teich nennt, und zu dem nicht leicht jemand gelangen mag. Er trank sich satt und füllte seine Reiseflasche mit der kalten Kristallflut. Als er nach ziemlicher Wanderung daraus trinken wollte, war die Flasche sehr schwer, und kein Tropfen floß heraus. Eine steinharte Masse steckte darin, der Reisende zerbrach das Glas und fand darinnen den reinsten goldschimmernden Topas, für den er vieles Gold gewann.

Einer sehr armen Frau, welcher der Geist als Bauer mit einem Milchkruge vom Gebirge niedersteigend begegnete, und die ihn um eine Gabe ansprach, gab er den ganzen Krug und riet ihr, von der Milch nur wenig zu trinken, das übrige hinzustellen, sie sauer werden zu lassen und Käse daraus zu machen. Solches tat die gute Frau. Es währte lange, bis die Käse reif wurden und die hübsche gelbe Farbe der Reife annahmen, aber als dies endlich geschah, waren die Käse pures Gold.

Drei Handwerksbursche bettelten einen vornehmen Herrn an, der ihnen, in einer prächtigen Kutsche fahrend, im Gebirge begegnete. Er gab jedem eine Gabe, sorglich in Papier gewickelt, mit der Weisung, nicht eher als in der nächsten Herberge diese Papiere zu öffnen. Allein einen davon trieb die Neugierde dennoch – er öffnete, ehe ihm noch die Kutsche aus den Augen war, und fand – zwei verschimmelte Rechenpfennige, für die ihm niemand etwas gab. Der zweite konnte auch die Zeit nicht erwarten, der fand zwei alte böhmische Groschen; der dritte wartete und fand zwei Dukaten.

Ein Wurzelgräber fand einen ganzen Haufen voll Mistkäfer und sammelte sie in seinen Ranzen in der Meinung, sie dem Apotheker in Hirschberg zu bringen, daß dieser etwa ein Tränklein gegen die Schwindsucht daraus destillieren könne – die Käfer rauschten und sumsten greulich in dem Ranzen herum, und dieser selbst wurde immer schwerer – das ärgerte den Mann, er gab sein Vorhaben auf und schüttete halbwegs die Käfer aus. Nur zufällig blieben ein paar in den Falten des Ranzen hängen, aber diese wenigen waren, als der Mann nach Hause kam, in Gold verwandelt.

Einem Sattlergesellen begegnete eine schöne Kutsche mit sechs Pferden bespannt, aber jedes Pferd hatte nur drei Beine, die Kutsche hatte nur ein Rad, und seltsame Vögel umflogen sie. Der Schmutz der Fahrgleise glänzte wie Gold an dem Rad; der Sattler streifte etwas davon mit den Fingern ab, aber da war es s.v. Dreck wie anderer auch, den er[429] an einen alten Lappen abwischte. Da er aber in die Herberge kam, hingen sechs Dukaten im Schmierlappen.

So gehen wohl hundert- und tausendfach die Sagen von des Berggeistes günstiger Laune und seinen guten Gaben im Volke.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 428-430.
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