Capitul XVI
Diese beklagt sich wegen der Weiber-Hechel

[44] »Ihr Herren, es ist nicht lang, daß ein Buch in die Welt ausgeflogen, so geheißen wird die Reitschul. Nun muß ich gestehen, daß ich all mein Tag nicht so sehr als in selbigem Tractat durchgezogen worden, obschon der Autor meinen Nam nicht genennet, sondern nur wie die Katz um den Brei herumgegangen. Aber ich merkte doch wohl, wo er ausgewollet und welch eine saubere Larve er vor das Gesicht geheftet. Ich habe noch eine Nachbarin, die gleichfalls gute Kopfnüsse in demselben Büchlein davongetragen, und wie es uns zum ersten[44] Mal unter die Augen gekommen, beklagten wir uns bei der Fürstlichen Canzlei. Aber ich kann nicht sagen, wie man uns daselbst ausgelachet hat, denn wir sollten beweisen, weil wir mit Namen nicht genannt waren, ob wir diejenigen wären, die in dem Büchlein durchgezogen sind. Wir wußten nicht, was hierin zu tun wäre, fragten deswegen einen Advocaten um Rat, der sagte: ›Liebe Frauen, kurz von der Sach zu kommen, so habt Ihr eine närrische Sache unterfangen, denn so Ihr's probiert, daß Ihr getroffen seid, so bekennet Ihr zugleich die Laster, wegen welcher Euch dasselbe Büchlein strafet. Gebt Ihr Euch nun derselben Laster schuldig, warum beklagt Ihr Euch dann über die Züchtigung, so Euch begegnet? Ich heiße Justus Justinianus. Wenn nun ein Buch ausgehet, in welchem geschrieben stehet: Casparus Maulwurf ist ein Ehebrecher, und ich sagte, das ginge mich an, so geh ich mich des Lasters schuldig. Ihr hättet viel klüger getan, daß Ihr Euch gar nicht um die Reitschul angenommen hättet. Denn, gesetzt Ihr seid so schlimme Huren, wie in dem Büchlein stehet, so sollt Ihr tun, als gehe es nicht Euch sondern andere an. Saget Ihr aber: Es sind lauter solche Sachen, die auf uns zielen und die ohnedem bekannt genug sind! so sage ich, warum beklagt Ihr Euch dann? Sind Eure Laster und Narrenspossen ohnedem bekannt genug, so liegt nichts daran, ob man davon redet oder schreibet.‹

Weiter gab er uns einen andern Rat und sagte, wir sollten wider den Autorem ein anderes Buch schreiben lassen und ihn auch wacker durch die Hechel ziehen. Aber uns ist genugsam bekannt, daß wir wenig mit ihm ausrichten werden, zumal er viel eher ein Buch als wir vier Bogen Papier verfertigen kann. Darum so paßten wir auf nächstgelegenem Schlosse mit zwei Mägden auf seine Person, weil er auf der Reise begriffen war, das Narrenspital zu besehen. Als er nun vor einer Stund auf einem Schimmel den Wald hinausgeritten kam, setzte ich mich zu Pferde, ihm nachzujagen und mit einer Pistole in den Rücken zu brennen. Aber weil ich des Pferde-Wendens ungewohnt war, machte er meinen Gaul so scheu, daß er mit mir durchgegangen und mich hier in die Grube geworfen, wo ich schon eine halbe Stunde mehr als sinnlos gelegen. Es ist mir nur für mein Pferd leid, welches sich hier in dem Wald verlaufen hat. Ach, hätte ich mich doch um die schindmäßige Reitschul nicht angenommen! Nun lacht mich der Autor heimlich aus, und [ich] muß dazu in großen Verlust geraten.«

»Seid Ihr nicht Narren?« sprach hierauf ein Edelmann, »Ihr Weiber, Ihr Frauen, Ihr Affen, daß Ihr über ein solches Buch zornig werdet, in welchem Euer Bestes gesuchet wird? Derjenige, so mir saget, wo ich fehle, der ist mein Guttäter. Warum wollet Ihr denn solche Wohltaten mit einer zorngierigen Verfolgung vergelten? Ha, welch eine große Unbesonnenheit! Verdrießt Euch's, daß man Eure Fauten drucken läßt, warum schämet Ihr Euch dann nicht, solche zu begehen? Haha, weil wir ohnedem auf dem Weg begriffen sind, so kommet[45] mit uns ins Narrenspital, dort wollen wir für Euch und Euresgleichen eine eigene Kammer bestellen. Der Advocat, so Euch den Rat gegeben, ist kein Narr und vielleicht um vier Unzen klüger als der Doctor ohne Bart, welchen wir bald hören wollen. Wer weiß, was Ihr dem Autor zuwider getan habt? Ich habe schon von der Sache gehört. Glaubet nur nicht, daß Ihr ihm die Feder aus der Hand reißen werdet! Ihr habt ihm eine grobe Suppe angerichtet, nun laßt Euch's nicht wundern, daß er Euch grobe Brocken einbrocket. Ihr dürft nicht glauben, daß Ihr allein Frauen in der Welt seid. Andere Leute sind auch keine Narren, es ist gar recht, daß man Euch eine gute Lection vorlese. Warum bessert Ihr Euch nicht, ihr Strahlhexen? Nur geschwinde mit uns, fort fort, oder ich prügle mit meiner Karbatsche drauf los! Ihr müsset ins Narrenspital, davor hilft kein Großtun noch Ausrede.« »Ach, Ihr Herren«, antwortete die Frau, »ich gehöre einem vornehmen Herrn zu, derselbe ist gar viel in der Stadt Nobiscum und kann Euch oder den Euren noch große Dienste tun.« »Ja, ja«, antwortete der Edelmann, »das lasse ich zu. Was ist ihm aber geholfen, daß er eine so närrische Frau zuhause hat? Ist es nicht besser, daß sie im Narrenspital sitze, als daß sie zuhause solche Grillfängereien wider ein Buch führe? Geschwinde, geschwinde, auf die Bein, oder ich schmeiße zu!« »Ach, Ihr Herrn«, sagte sie, »weil ich sehe, daß es Euer Ernst ist, so muß ich doch die Herren fragen, sind sie auch Liebhaber von der Musik?« »Freilich«, antwortete der Edelmann, »nur mehr als zuviel.« »Nun«, sagte sie, »so muß ich's gestehen, wer mein Mann ist, er ist ein Organist.« »Haha«, sagte der Edelmann, »die Organisten sind auch nicht allemal klug. Man sagt, daß unter hundert nur einer klug sei, so folget, daß die andern neunundneunzig Narren sind, und einem unter solchen neunundneunzig gehöret Ihr zu.« »Ach nein«, sagte die Frau, »er ist nicht allein ein Organist, sondern auch ein gar vornehmer Ratsherr.« »Ei«, sagte der Edelmann, »Ratsherr hin, Ratsherr her, er muß die Treppe hinunter, und wenn's der Bürgermeister selbst wäre. Man wird Euch nichts Neues machen. Ha, Ihr guten Leute, haltet Euch danach, daß man Euch nicht strafen kann, so dürft Ihr nicht ins Narrenspital! Nur bald und geschwinde, oder ich schlage zu!« Diese Worte trieben die arme Frau von der Stelle, da sie bis daher aus Mattigkeit gesessen hatte, und weil es nicht anders sein konnte, bat sie um ein warmes Logiament, weil ihr fetter Leib der Kälte ganz ungewohnt war. So führten wir sie ins Narrenspital, welches in einer großen Au sehr zierlich und wohl gebauet war. Unsere Herren brauchten sich von ferne der Perspective, das Gebäude desto ausführlicher zu betrachten, und es ist nicht zu sagen, wie sehr sie die Architectur lobten, welche der Baumeister daran angewendet hatte.

Quelle:
Johann Beer: Das Narrenspital sowie Jucundi Jusundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. Hamburg 1957, S. 44-46.
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Sämtliche Werke - Band 5. Weiber-Hächel, Jungfern-Hobel, Bestia Civitatis, Narren-Spital. Herausgegeben von Ferdinand van Ingen und Hans-Gert Roloff
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