V. Capitul.
Offenbarung seiner Liebe und warum Zendorio in Verhaft gekommen.

[34] Das Unglück liebt den Widersinn,

Kommt oft, wo es nicht solle, hin.


»Veronia wurde von mir je länger je eiferiger verehret, aber zu nichts als meinem eigenen Verderb. Sie konnte mir keine andere Gegengunst erweisen als freundliche Blicke, von welchen ich das Jahr nicht fünf Groschen Interesse auftreiben können, es wäre denn, daß ich sie bei einem närrischen Kaufmann capitaliter ausgeleget hätte. Aber gleichwie das heimliche Verständnis endlich auszubrechen pfleget, also konnte es auch mit mir armen Schelmen keinen langen Bestand haben. Ich mußte die Gelegenheit suchen, wie ich konnte, und nicht, wie ich wollte, denn weil ich bei Hofe nichts zu tun hatte, mußte ich eine solche Sach hervorsuchen, welche schien, als hätte ich daselbst was zu verrichten, ob es schon in dem Werk nichts als ein bloßer Müßiggang war. Ich gab zu Ende dessen vor, wie ich entschlossen wäre, eine aus der Gräfin ihrem Frauenzimmer zu ehelichen, ob ich gleich niemalen des Willens gewesen, mich mit einer von dem Hofe zu verbinden, entweder weil sie gar zu arm oder gar zu hoffärtig waren. Doch gewann ich durch diese Scheinheiligkeit einen offenen Zutritt und wurde mit Veronia so gemein, daß sie sich endlich nicht scheuete, mir Kirschenstengel, Haselnüsse, Confect, Zucker, Mandelkern und dergleichen Materien ins Gesichte zu werfen. Der Teufel tat denn auch seine Verrichtung darbei, bis ich glaubte, das Glück hätte nunmehro ein ewigwährendes Verbindnis mit mir eingegangen. Ich bin von Jugend auf zu dem Apfel- und Citronenschnitt abgerichtet worden, deswegen verehrte und schnitt ich in ihrer Gegenwart allerlei Arten der raresten Formen.

Die Braut, welche ich zu freien vorgab, wußte sich einen Haufen wegen meiner, aber das gute Kind hätte billiger weinen sollen, wenn sie gewußt hätte, wie gar und wie durchaus ich sie nicht haben möchte. Ich verehrte ihr allerlei perfomierte Handschuhe, die allernobelsten seidne Strümpfe, schöne Armbänder, wohlausgearbeitete Schlaguhren, aber[35] ich bestellte einen Jungen, der ihr den Kleiderschrank brechen und alle spendierte Sachen wieder hinwegstehlen mußte. Mein Herr kann gedenken, wie ich diese unschuldige Dam wider alle Ehr und Reputation, auch wider billigen Respect und Observanz so liederlich bei der Nase herumgezogen. Es war hohe Zeit, daß ich aus dem Schloß entwich, sonst hätte ich etwas anrichten dörfen, das man ohne Spott und Schand nicht melden kann.

Solches Leben wurde mir als einem Bräutigam gar wohl passiert, aber meine Mutter schrieb mir, so ich eine vom Hof heuraten würde, so wollte sie mich bis aufs Hemd enterben, weil sie mit vielen Quittungen belegen konnte, daß ich auf der Universität in die 8000 Taler extra vertan. Ich entschuldigte mich wieder gegen ihr und vermeldete, daß ich an nichts weniger als an eine solche Heurat gedacht hätte, und was ich bei Hof mit dem Frauenzimmer vorhätte, wäre nur zur Verkürzung der Zeit und auf keine ehliche Verbündnis angesehen. Auf einen solchen Entschluß besanftmütigte ich meine Mutter, welche sonsten einen ziemlich harten Kopf hatte, und dahero mußte sich das arme Mensch auf dem Schloß von mir eine Nase nach der andern drehen lassen. Und ob sie mich schon ohne Unterlaß fragte, wann wir wollten Verlöbnis machen, benamsete ich ihr doch eine Zeit nach der andern und machte ihr so viel Hoffnung, davon sie noch zwölf Säcke übrig hat, so sie ihren Mitschwestern nicht welche davon verspendieret.

Endlich erwischte mich ein Page, gleich als ich die Gräfin küßte, und ob ich schon dem Jungen zwei Taler geschenket, davon stille zu schweigen, trägt er doch solches dem Grafen zu, welcher in vollem Grimm von der Jagd dem Schloß zu ritt und entschlossen war, mir seinen Jagdspieß durch die Rappagnie zu rennen, denn es ist gewiß, daß kein zornigerer Mensch weit und breit in dem Land anzutreffen gewesen. Zu meinem Glück wurde mir solches durch den Forst-Schreiber gestecket, und dahero machte ich mich aus dem Staube, ehe mich der Graf zu Gesicht bekommen. Ich habe hernachmals in einem langen Schreiben umständlich vernommen, wie ungeduldig sich die Gräfin wegen meiner bei[36] ihrem Herrn beklaget. Sie sagte, ich hätte sie heimlich von hinten überfallen und sie geküsset. Item, noch andere Stücklein sagte sie, deren ich mich unterfangen hätte, und also machte sie sich weiß und mich hingegen schwärzer als eine indianische Dinte.

Folgende Woche erhielt ich gar von vertrauter Hand, daß man mich auf meiner damaligen Reise zwischen dem Gebürge ausgespähet, und weil ich die vor gewandte Heurat gegen der Dam renunciert, wollte mich der Graf mit Gewalt haschen und mir wie einem schändlichen Betrüger was anders tun lassen. Aber der Herr ist zu allem Glück in meine Kammer auf der Straßenherberg gekommen, sonst wäre ich statt des Herrn in der Häscher Hände gefallen, wie Er sich leichtlich die Rechnung wird machen können.

Dieses ist also der Verlauf meiner Fortun, und anitzo halte ich mich ganz in geheim hier auf dem Schlosse verborgen, habe auch meinen Leuten befohlen, keinen Menschen zu mir zu lassen, als welchen ich selbst heraufführen werde. Und dieses ist die Ursach, warum ich mich in diesem engen Zimmer aufhalte, sonsten wollte ich den Herrn wohl in einem größern und säuberern tractieren. Er vergebe mir indessen und nehme mit dem guten Willen vorlieb, es geschicht, meinen Leib in besserer Versicherung zu halten, weil ich von daraus weit auf die Straße sehen und eigentlich betrachten kann, was zu dem Schloß ein und aus gehet. Ich förchte mich zwar vor dem Grafen nicht ein Härlein oder Nagel groß, und es ist noch lang dahin, ehe er mich solle henken lassen, aber das ist mir zum schlimmsten, daß ich förchte, er dörfte mich deswegen am gebührenden Ort verklagen. Aber solang er nichts Hauptsächliches auf mich bringen kann, wird man ihn nur auslachen. Der arge Fuchs hat mich so heimlich erlauschen und in dem Gefängnis wacker carniffeln wollen, aber ich glaube, ich habe eine Comödia gespielet, die lustig genug ist. Mein Herr vergesse seines Schmerzens und bleibe bei mir, solange es Ihm anstehet, mein Tisch und ein schlecht Bett stehet zu seinen Diensten, und Er sei versichert, daß ich mich gegen Ihm ganz verobligiert befinde.«

Quelle:
Johann Beer: Die teutschen Winter-Nächte & Die kurzweiligen Sommer-Täge. Frankfurt a. M. 1963, S. 34-37.
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