[308] Köller, Ranzau nach einer Pause, in welcher Beide den Abgang des Dieners erwarten, vertraulich Köller's Hand fassend.
RANZAU.
Eben wolltet ihr –
KÖLLER zögernd.
Ich wollte, – nun –
Ihm einen Brief gebend, entschlossen.
Les't, wenn Ihr wahrhaft seid![308]
RANZAU.
Was soll das, Obrist Köller? War't ihr's nicht,
Der ein Geständniß mir entgegen trug?
Reut's euch, daß ihr's gethan, so nehmt, ich bitte,
Nehmt das Papier zurück.
KÖLLER.
Daß ich's gestehe;
Verwundert seh' ich euch im Vorgemach
Des Günstlings der Gebieterlaunen harren.
Was könnt ihr hier, der Vielgekränkte, wollen
In des Beleid'gers Hause? Was begehren,
Das er geschmeidig nicht dem Feind gewährte,
Der ihn vor Allen schreckt, ihn zu bestechen.
RANZAU.
Ich aber, meint ihr, sei willfährig g'nug,
Bestechen mich zu lassen, nicht?
KÖLLER.
Herr Graf!
RANZAU.
Laßt's gut sein, Obrist; üblich ist's, ich weiß,
Daß man an fremde Größe oft den Maßstab
Der eignen legt; nach trauriger Erfahrung
Der eignen Brust das Herz der andern richtet.
KÖLLER.
Vergebt, wenn mir ein Zweifel rasch entfahren.
Ich zeigt' euch gleich ein off'nes Herz, und sollt' ich[309]
Ein flüchtig Wort jetzt nicht bereuen dürfen?
Ich bitt' euch, les't, mein werther Graf! Ich bitt' euch.
RANZAU.
Mit nichten; für den Leu ist's nicht genug,
Des schwächern Gegners Stachel ohne Zürnen
Mit ruh'gem Adel still gefühlt zu haben.
Er muß an Großmuth ihn besiegen. – Kamt ihr
Mit zögerndem Vertrau'n mir nicht entgegen?
Eh' ihr vollendet, laßt auch mich vertrauen.
Laßt mich gesteh'n, was mich hierher geführt.
Gekommen ist das Aeußerste. Wie Allen
Unwill'ges Blut in kühnen Adern wogt,
Drängt zu dem heißen Herzen sich das meine.
Dies Land hat nimmer, seit der stolze Belt
Die Fluthen wälzt zu Dänmarks edlem Ufer,
So tiefe Schmach getroffen. – Nie der Adel,
Der um den Thron wie ein granit'ner Wall
In Felsenruhe sollte steh'n, ertragen,
Was dieser Fremdling wagt. – Nicht länger soll's
Der Gutgesinnte mehr erdulden, nicht
Der Thatberuf'ne müßig weilen. Handeln
Muß Jeglicher, und längst entschlossen war ich,
Zu wagen, was uns Aend'rung schafft und Rettung.
Doch eh' ich schreite zu dem Aeußersten,
Eh' ich der Nacht geheimnißvolles Kind,
Die freche Hyder, Rebellion, entfeßle,
Eh' ich ins theure Herz des Vaterlands
Selbstmörderisch ein tödtlich Eisen bohre,
Versuch ich Eines noch – ein gütlich Wort.[310]
KÖLLER.
Bei ihm?
RANZAU.
Noch Keiner hat die selt'ne That gewagt,
Dem Günstling vor das freche Angesicht
Die ungeschmückte Wahrheit keck zu stellen.
Ich aber will's. Gestehen will ich ihm,
Wie ungetheilt der Dänen edles Volk
Nach Rettung wimmert, und sein fremdes Haupt
Belastet mit des Elends leisen Flüchen.
Wie von der königlichen Mutter an,
Bis tief hinab zum Letzten unsers Adels,
Ein Jeglicher mit blut'ger Rache einst
Zurück wird fordern sein geschändet Recht.
KÖLLER.
Und ihr erwartet?
RANZAU.
Daß dies Bild des Schreckens
Sein zagend Herz erschütt're, – wankt er dann,
So zeig' ich ihm den Ausweg. Er entsage,
Er schaue länger nicht nach falschen Sternen,
Die ihm mit trügerischem Glanze hin
Zum Abgrund leuchten. Ward er nicht in Nacht
Geboren? Hat vordeutend ihn das Schicksal
Nicht auf des Lebens nied'ren Weg gestellt?
Er kehre wieder in das alte Dunkel,
Verzicht' auf Amt und Würden, – und ich biete[311]
Mich zum Vermittler an. Versöhn' ihm schnell
Die zürnenden Parteien. Gnädig wird
Die Kön'gin Mutter ihm verzeih'n. Erstickt
Im Keime wird des Aufruhrs dräu'nde Flamme.
Wir sichern ihm in ferner Einsamkeit
Ein sorgenlos, ein fluchentlad'nes Leben,
Und friedlich unter weisem Regiment
Wird Dänmark wieder blüh'n. – Ihr lächelt, Obrist?
KÖLLER.
Aufjubeln möcht' ich, denn nun seid ihr unser,
Dem weisen Plan der Königin gewonnen.
So hofft ihr wirklich das Unmögliche?
Eh' hättet ihr des Nero blut'ge Seele
Zur Engelsmilde des Aurel gewandelt,
Eh' ihr durch Künste edler Ueberredung
Zum Rücktritt diesen Stolzen wollt bewegen.
Was ihn so weit geführt, führt ihn noch weiter.
Laßt uns vor seinen trunk'nen Blicken nur
Ein still bereitet Grab ihm heimlich aufthun;
Und gebt nur Acht, er stürzt sich selbst hinein.
Jetzt aber les't, – und wenn's euch hier mißglückt,
So wandelt ihr mit uns, ich darf es hoffen,
Den klugen Weg zu dem ersehnten Ziel.
RANZAU die Aufschrift des Briefes, den er von Köller empfangen, lesend.
»Dem Obrist Köller.« Von dem Schreiber ist's
Der Kön'gin Witwe, von dem Guldberg, nicht?
Ein schlauer Bursch.[312]
KÖLLER.
Ein heuchlerischer Fuchs,
Wie Schlangen falsch. Doch ist er wohl zu brauchen,
Der Königin und unserm Plan ergeben.
RANZAU lesend.
»Die Königin, meine erhab'ne Gebieterin, trägt mir auf, euch, mein Herr Obrist! heut' Abend auf ihr Schloß zu entbieten. Ihr werdet dort zum ersten Mal alle die edlen Gäste kennen lernen, die sie zum großen Feste, das sie dem Könige und Dänemark geben will, geladen hat. Wie bald und wo dies Fest gegeben werde, sollen die Gäste heut' im gemeinsamen Rathe beschließen. Eure Stimme ist vor vielen wichtig und geehrt; fehlt also nicht. Die Königin erwartet euren Bericht über die Stimmung der Garde, die verabschiedet worden. Sie hofft, daß sich die Truppen mit Ehrfurcht in den Willen Seiner Majestät ihres geliebten Sohns ergeben haben. Die Tafel beginnt um Mitternacht.
Euer Guldberg.«
Ein mitternächtlich Mahl! Und bei dem Feste,
Das sie dem armen Vaterland verspricht,
Wird blut'ger Wein in Purpurströmen fließen.
KÖLLER.
Das seine nur. Doch laßt mich hoffen, Graf,
Ihr seid der Uns're, – folgt heut' Abend mir,
Ein hochwillkommner Gast! Von allen Edlen
Der Edelste. Ich bitt' euch, sprecht dies Wort.[313]
RANZAU.
Wenn er nicht mehr zu retten, fest gewurzelt
Mit stolzer Krone, ein verweg'ner Stamm,
Den Blitz, der in den dunklen Wolken schlummert,
Selbst niederfordert auf sein freches Haupt,
Dann freilich muß auch ich – – Still!
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