Zweite Scene.

[392] Struensee. Brandt.


STRUENSEE.

Sieh' da, mein Enewold, so spät, –

BRANDT.

Ich komme

Von banger Ahnung hergetrieben. Komme

Mit einem Herzen düst'rer Sorge voll.

STRUENSEE.

Was ist es? Was bewegt dich?[392]

BRANDT.

Weiß ich's selbst?

Die Stille unsrer Feinde ängstigt mich.

Und dieses Fest, das wir bereiten, widert

Mich an mit seinen Larven. Welchen Truppen

Hast du in dieser Nacht, – wär' sie vorüber –

Die Posten anvertraut? Doch nicht dem Köller,

Der eben von dir ging?

STRUENSEE.

Ich wählte ihn

Vor vielen Andern. Keinen Treuern kenn' ich,

Und kein ergeb'ner Regiment. Ihm hab' ich

Die Posten anvertraut.

BRANDT.

So widerruf' es!

Nimm, ich beschwör' dich, den Befehl zurück.

STRUENSEE.

Daß ich ein Thor wär', diesem Ahnungsfieber,

Das plötzlich dich ergreift, den kräftigen

Entschluß zu beugen! Gieb mir deine Gründe;

Mir ist der Köller ein bewährter Mann.

BRANDT.

Ich trau' ihm nicht.

STRUENSEE.

Ich aber darf ihm trauen.[393]

Ich kenn' sein rauhes, redliches Gemüth,

Sein deutsches Herz. Ihm ward kein starker Geist,

Der selbst das Große will. Er ist's gewohnt,

Sich dem zu unterordnen, dem es glückt,

Mit stiller Uebermacht ihn zu bezwingen.

Mir war's vergönnt, ich hab's erfahren, Freund,

Den Zauber über ihn zu üben. Ruhig

Hat er, ich weiß, die liebste Neigung mir

Geopfert, schwieg und duldete im Stillen.

Ich hab' es redlich ihm vergolten, hab' ihn,

Wie ich's vermocht, befördert und erhoben.

Er grollte nicht, da er durch mich gelitten;

Nun, da er Dank mir schuldig, sollt' er mich

Verrathen? – Nimmermehr!

BRANDT.

Wenn's stiller Haß

Und lauernde geheime Rache wäre,

Was dir wie Treu' erscheint?

STRUENSEE.

Das traue Teufeln zu,

Ich such' es nicht in einer Menschenseele,

's ist in der meinen nicht. Könnt' ich mich rächen,

Längst hätt' ich diese königliche Witwe

Und diesen Ranzau meinem Haß geopfert.

BRANDT.

O hättest du's gethan! Du willst nicht hören!

Mir haben Freunde warnend angedeutet,

Daß sie auf Böses sinnen.[394]

STRUENSEE.

Immerhin,

Enthüllt es sich, wird auch die Strafe sie

Ereilen. Auf Verdacht verdamm' ich nicht.

Voreil'ge Furcht beschleunigt die Gefahr.

Der Weg zum Könige ist wohl bedacht,

Und das ist noth; denn in dem kranken Herzen

Ist nichts beständig als der Unbestand.

Da wechselt Neigung schnell mit Haß, – und Liebe

Verkehrt zu Abscheu plötzlich sich. – Wir aber

Sind im beglückten Bund mit einem Engel,

Der mit dem Silberflügel süßer Huld

Uns treu beschützt. Die Gunst der Königin

Ist kein vergänglich Licht.

BRANDT.

Doch weh' uns Allen,

Auch ihr, wenn sie den Weg zum König fänden.

Sieh', Friedrich! grad' vor diesem Köller ward ich

Gewarnt. Mir sagten Freunde jüngst, er habe

Verdächt'ge Reden – –

STRUENSEE.

Freund, ich bitte dich!

Sind wir dahin gekommen, daß ein Wort

Des Unmuths, weinerhitzte Phantasieen

Uns ängst'gen? Dann ist's besser, daß wir enden.

Und glaub' mir, wolltest du in diesem Land

Der Schelsucht jeder Warnungsstimme trauen,

Du wärst verloren. Sag, was hättest du[395]

Mir zu erwiedern, wenn ich dir gestehe:

Daß man's gewagt, mich selbst vor dir zu warnen.

Du schweigst? –

BRANDT.

Mir bleibt nichts mehr zu sagen übrig.

Leb' wohl! Die Wagen rollen hin und her.

Mich ruft die Pflicht zu dem verhaßten Fest.

Du gehst nicht mit?

STRUENSEE.

Ich folge dir sogleich.

Noch Manches bleibt zu ordnen, Vieles noch

Zu unterschreiben, eh' ich mich den Freuden

Des Festes überlassen darf.

BRANDT.

Den Freuden?

Mir ist's, als sollt' ich in mein Grab!


Brandt ab.


Quelle:
Michael Beer: Sämmtliche Werke. Leipzig 1835, S. 392-396.
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