[462] JULIANE allein.
Wie? Nur Gesetz? Und immer nur Gesetze?
Und ewig Schranken! Nicht mit raschem Fuß,
Wie ich's gedacht, kann ich das Ziel erreichen.
Ich will ihn todt, und diese Richter zaudern,[462]
Und fragen ihr Gesetz und ihre Formen.
Ihr modernd Pergament hat bess're Rechte
Als mein gekrönter Wille? Darum hätt' ich
So viel gewagt, die schaudervolle Nacht
Durchlebt, um noch einmal zu zweifeln und zu zittern?
Ich will ihn todt! denn sein verruchtes Blut
Soll mir die stillen Martern langer Jahre,
Die Qualen jener Schreckensnacht bezahlen.
Sie schrickt zusammen und sieht sich um, als stünde Jemand hinter ihr.
's ist nichts! Seh' ich Gespenster? Großer Gott!
Was ist seit jener Nacht aus mir geworden?
Allüberall, im Wachen und im Schlaf,
Seh' ich den Geist des königlichen Gatten
Still zürnend vor mir steh'n. Er blickt mich an
Mit seinen kalten, blauen Todtenaugen
Fest, starr und – fort! So sah ich ihn
Dicht neben mir, als ich den König zwang,
Zu unterschreiben. – Schaudernd warf er erst
Das Blatt hinweg, als er Mathildens Namen
Erkannt. – Ich aber drohte fort und fort.
Beschwor den finstern Höllengeist der Lieder,
Die an die Fenster klirrten – krampfhaft ballte
Dem König sich die Faust in stiller Ohnmacht.
Ich rief ihm: »unterschreib'!« – er unterschrieb!
Da war's, als fühlt' ich einen Grabeshauch
Die Wangen streifen, und mein Gatte stand
Mit bleichen Lippen flüsternd hinter mir:
Was drohst du meinem Sohn? Er ist mein Sohn,
Er ist dein König! Wehe dir, Juliane!
Und wieder rief es – – –