Achte Scene.

[469] Verwandlung. Zimmer der Königin Mathilde in der Festung Kronenburg. Mittel- und Seitenthüren. Mathilde mit Emmy, ihrer Kammerfrau, in heftiger Bewegung aus einem Seitenzimmer.


MATHILDE.

Laß mich, ich sprech' ihn nicht, will ihn nicht seh'n.

EMMY.

Er kommt im Namen des Gerichtes, sagt er.

MATHILDE.

Welch ein Gericht? Wo sind die Könige

Versammelt, mich zu richten?

EMMY.

Theure Fürstin,

Vergebt dem treuen Rath – wenn ihr ihn doch

Vernehmen wolltet, wenn er Gutes riethe – –

MATHILDE.

Ich kenne diesen Schack nicht, hab' ihn selten

Bei Hofe nur geseh'n; ich weiß es nicht,

Ob er mir treu gesinnt ist, ob er nicht

Ein list'ger Späher zum Verrath – o Gott!

Wer war mir treu? Wer hat mich nicht verrathen?

EMMY.

Ihr sagtet gestern mir, ihr wär't gefaßt,[470]

Zu tragen, was der Himmel euch beschieden.

Wollt ihr nicht glauben, daß nach solchem Jammer

Er Freuden euch bereiten wird und Segen?

Wollt ihr den Schack empfangen?

MATHILDE.

Laß ihn kommen.

Wie thöricht, daß ich mich noch sträube, ihn

Zu seh'n! Trotz bieten darf ich jeder neuen Qual!

Denk' nicht gering von deiner Kön'gin, Emmy;

Ich bin ein Kind, das unter Schlangen wimmert.

Rings von dem zischenden Gezücht umgeben,

Befürchtet's immer nur die nächste, denkt nicht,

Daß auch die fern're bald ihr nagend Gift

In die verlass'ne Seele spritzt. Vergeblich

Streckt es die Hände flehend aus, die Nattern

Umstricken's alle endlich fest mit einem

Verschlung'nen Knoten, bis der gift'ge Druck

Das Herz des Kindes bricht. Jetzt laß ihn kommen,

Was er mir bringt, voll Muth will ich empfangen

Die neue Natter zu den alten Schlangen.


Emmy ab.


Quelle:
Michael Beer: Sämmtliche Werke. Leipzig 1835, S. 469-471.
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