Erster Auftritt.

[193] Antonie im saubern Morgenanzuge von rechts.


Die erste Nacht in einer neuen Wohnung! Der Volksglaube sagt: was man da träume gehe in Erfüllung. Ich habe nicht viel geträumt, nur unruhig geschlafen. Wie wird das enden? Oder wie soll es werden? Ich bin verheirathet – aber an wen? An einen Mann? Ich glaube eher an ein Buch. Gleichgültig kam er, mich zur Trauung zu führen, gleichgültig und kalt war er bei der heiligen Handlung, gleichgültig saß er im Wagen neben mir, als wir hierher fuhren. Kein freundliches Wort, kein Wort des Vertrauens, nicht die leiseste Annäherung. Er betrachtet die Frauen wie untergeordnete Wesen, etwa wie seine Schüler, – vermuthlich stehen in einem dieser alten Bücher solche verwünschte Grundsätze. Er weis't mich in die schlechtesten Zimmer seiner Wohnung, die kaum mit dem Nothdürftigsten ausgestattet sind, er will von den Gewohnheiten seines Hagestolzenlebens nicht abgehen, und stellt diese als Richtschnur für unser eheliches Leben auf – kann sich dabei eine wirkliche Ehe gestalten? Soll ich mich als Magd, als geduldet nur, als unangenehme Zugabe zu der Erbschaft behandeln lassen, wäre es nicht besser gewesen: ich hätte dieser entsagt und wäre, wenn auch nicht wohlhabend, doch frei und[193] fröhlich geblieben? Streicht mit der Hand über das Gesicht, munter. Pfui Antonie, was soll die Kopfhängerei? Warst du nicht einig mit dir selbst? Willst du dir selbst ableugnen daß du eine Neigung zu dem Undankbaren gefaßt hast, als du ihn vor vier Jahren zum ersten Male bei dem Oheim sahst? Daß sein Bild nicht wieder aus deinem Innern schwand? Ja, ich habe ihn im Herzen getragen – aber er erwiedert meine Liebe nicht? Je nun, er kennt mich ja noch nicht, er kennt überhaupt keine Frauen, er meint ganz unbefangen: wir müßten so behandelt werden, er meint ganz Recht zu haben. Es gilt ihn über das Falsche seiner Meinung zu belehren, ihm begreiflich zu machen was eine Frau ist – mit einem Worte: ich muß ihm gefallen! Gut und von edlem Charakter ist er, davon habe ich Beweise, und Grillen und Vorurtheile lassen sich bekämpfen. Es müßte schlimm zugehen, wollte ich ihn nicht bekehren, wenn ich mich klug und fest benehme. Sollte mir die Gabe zu gefallen ganz versagt sein? Ich will es nicht hoffen! Still, es regt sich im Nebenzimmer. Nun denn, Herr Professor, Sie lieben die Ruhe und Ungestörtheit, machen Sie sich darauf gefaßt daß Ihre Ruhe etwas sehr gestört werden wird. Wir wollen sehen ob Ihre bezopften Vorurtheile Recht behalten oder Ihre junge Frau. Rechts ab.


Quelle:
Roderich Benedix: Haustheater. Leipzig 21865, S. 193-194.
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