Siebenter Auftritt

[67] Theodoras Zimmer. Theodora kommt etwas blaß herein und trocknet sich die Augen. Ihr ist bei der ganzen Unterredung das Weinen nahe. Lisette folgt ihr.


THEODORA. Laß mich nicht allein, Lisette! Es liegt mir so schwer auf dem Herzen, als wenn ich einen Mord begangen hätte.

LISETTE. Sie sind gar zu gewissenhaft; was kümmern Sie sich doch?

THEODORA. Kein Kummer, kein Schmerz kann gerechter seyn, als der meinige. Ich vermag nicht länger zu schweigen, ich muß mich Dir entdecken; es bricht mir sonst das Herz. Lisette, was ich verloren habe, das findet man nie wieder.

LISETTE. Ich verstehe; aber was ist das weiter? Viel tausend Mädchen haben eben das verloren.

THEODORA. Ich weiß noch mehr; höre mir aufmerksam zu. Der, welcher mein Herz, meine Unschuld, meine Ehre geraubt hat, ist der Sohn[67] von dem Todfeinde meines Vaters, ist der Sohn Rochus.

LISETTE. Er ist auch zugleich Ihr Bräutigam, und das wird zur Versöhnung führen. Eilen Sie nur, daß Ihre Vermählung zu Stande kömmt; es mag im Stillen seyn, oder öffentlich.

THEODORA. Höre nun das Schrecklichste! Moritz, dieser einschmeichelnde Jüngling, der mein Herz so unwiderstehlich an sich gerissen hat, der mich so unendlich zu lieben schien, dieser Moritz ist kalt gegen mich geworden.

LISETTE. Das giebt Ihnen Ihre traurige Stimmung nur ein.

THEODORA. O nein, es ist die traurige Wirklichkeit. Und wem soll ich mich entdecken? Meiner Mutter? Ach, sie ist ohnehin schon so unglücklich, und ich würde ihr einen neuen Dolch ins Herz stoßen. Meinem Vater? O Gott, er würde mich umbringen! Nur Dir, Lisette, kann ich mein Herz öffnen. Komm mit in den Garten, wo er sich zum erstenmal an mich schmiegte, wo ich den Gott der Liebe zu besitzen wähnte, wo ich mich ihm auf ewig hingab; komm, ich muß mich ausweinen. Geht mit gesenktem Haupte ab.[68]


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 67-69.
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