Dritter Auftritt.

[86] Zimmer in Rochus Hause. Rochus, Moritz, Paulina, traurig bei einer weiblichen Arbeit sitzend.


ROCHUS. Mein Werk ist vollbracht; und das Deinige?

MORITZ. Wird es seyn, so bald Sie es wollen. Ich bin des Mädchens satt, übersatt ihres Gewimmers, und unerträglich wird mir längere Verstellung. Ich muß ihr Endurtheil aussprechen.

ROCHUS. Noch nicht, mein Sohn. Noch ist es nicht ganz entschieden, ob sie eine Bettlerinn wird; aber dann, dann! – O mein Zorn ist wieder fürchterlich gereizt worden; Faust hat noch einmal alle Ränke aufgeboten mir mein Vermögen zu rauben, hat mich noch einmal alle Qualen des verzögerten Rechts empfinden lassen. Aber bald wird der Ausspruch des Richters mich in mein entwandtes Eigenthum wieder einsetzen, und dann will ich den Becher der Rache bis auf den letzten Tropfen leeren. Ich kenne keine Schonung, keine Barmherzigkeit mehr, und meine Kinder müssen die Hand bieten ihren tiefgekränkten Vater zu rächen.

MORITZ. Ich bin zu allem bereit, mein Vater,[86] ich brenne selbst vor Haß gegen den stolzen Faust.

ROCHUS. Auch meine Paulina muß bereit seyn, die Schmach ihres Vaters zu rächen.

PAULINA. Was begehren Sie von mir, was soll ich thun?

ROCHUS. Den Todfeind Deines Vaters mit lautem Hohngelächter zurückstoßen, wenn er von Liebe, von Vermählung spricht, und ihn eine Dirne auf der Straße suchen heißen.

PAULINA. O mein Gott, wie kann ich das jetzt? Sie haben ja selber mir befohlen, ihn zu lieben.

ROCHUS. Jezt befehle ich Dir, ihn zu hassen. Der Bettler Faust, mit zwei geschändeten Kindern, die so alt als Paulina sind, ist kein Gatte für ein Mädchen, das Anspruch auf die ersten Jünglinge des Landes machen kann.

PAULINA. Es ist ja noch nicht entschieden, ob er ein Bettler seyn wird.

ROCHUS. Er wird es seyn! Ich rede nie früher von wichtigen Dingen, als bis ich Sicherheit darin habe. Widersprich mir nicht länger, Paulina. Sieh diese grauen Haare; Faust hat sie in kurzer Zeit grau gemacht! Sieh diese Furchen auf meiner Stirn; sie sind in Monaten tiefer geworden,[87] als sie sonst in Jahren werden! Fluch muß ich dem Kinde geben, das sich an meinen Todfeind hangen könnte.

MORITZ. Um Gotteswillen, Schwester, mache Deinen Vater und mich nicht unglücklich, jetzt, da unser Glück so nahe ist.

PAULINA. Nun wohl! Ich will mein Herz, das ich auf Befehl gab, auf Befehl losreißen; aber höhnen kann ich ihn nicht.

ROCHUS. Ich bin zufrieden, ich erkenne meine gehorsame Tochter wieder; alles übrige werde ich veranstalten. Du sollst nichts, als ihn hieher bescheiden, wenn ich es wünsche, und ihm sagen, daß Du seine Gattinn nicht werden kannst.

EIN BEDIENTER tritt ein. Es sind Gerichtsdiener im Hause, die das Endurtheil des Prozesses bringen.

ROCHUS. Kommt Kinder, um Gotteswillen, kommt mit mir! Alle drei eilend ab.[88]


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 86-89.
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