Erste Verwandlung

[132] Der Rheinfall mit seiner umliegenden Gebirgsgegend. Faust, Gog treten auf.


GOG. Bist Du mit mir zufrieden?

FAUST. Ich bin es. Eine so schnelle Reise habe ich noch nicht gemacht.

GOG. Sieh, hier ist das berühmte Spiel Eurer Natur, zu welchem von allen Seiten der Erde die Bewohner derselben zum Anschauen herbeiströmen.

FAUST schaut den Sturz an. Es verdient dies Herbeiströmen. Warlich, das ist etwas Großes, etwas Begeisterndes! Gog, fühlst Du in diesem Augenblicke nicht, daß ein Gott ist?

GOG. Ich will es nicht fühlen.

FAUST. Daran erkenne ich Dich. Du magst es aus Neid nicht fühlen, weil er so etwas Großes hervorbrachte. O Ihr seyd doch elende Geister, Ihr Bewohner der Hölle! Vernichten könnt ihr wohl, aber könnt ihr auch schaffen, so etwas erschaffen?

GOG. Unsre Hölle ist auch schön, und wenn es ihr gleich an Wasserstrudeln gebricht, so prangt sie desto reichlicher mit Feuerströmen.

FAUST. Hu, hu! Du bist ein gräßlicher, schadenfroher[132] Teufel, daß Du mich in diesem Augenblicke daran erinnerst. Ich möchte Dich fortschicken, um Dich auf ewig nicht wieder zu rufen.

GOG. Du verstehst mich unrecht, Faust. Unsre Hölle prangt nicht mit Feuer, um uns zu quälen, sondern um uns zu ergötzen. Sie ist prächtig schön.

FAUST. Gut verantwortet! Aber dies genügt mir nicht; ich will sie sehen!

GOG. Wie? Du wolltest es wagen –

FAUST. Ja, ich will sie sehen.

GOG. Das kann nicht seyn; kein Sterblicher kann ihre Pforten betreten.

FAUST. Wenn Du mir die Hölle nicht zeigst, so begehre ich Deiner nicht weiter, und vernichte unsern Bund.

GOG. Verweile hier. Ich muß höhere Mächte fragen. Verschwindet.

FAUST allein. Ich muß den Ort sehen, der mir bestimmt ist, der Jahre hindurch mein Aufenthalt seyn soll. Dieser Anblick hier hat mich zu allem bereit gemacht. Ich vermag jetzt das Schrecklichste zu schauen, und diesen Augenblick muß ich nutzen. Er möchte nicht wiederkommen.

GOG erscheint von neuem. Komm mit mir,[133] Dein Wunsch soll gewährt werden. Verschwindet mit Faust.

Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 132-134.
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