Siebzehnter Auftritt.

[38] Ferdinand, als Sandjunge, alte Soldatenmütze ohne Schild, grobe Schürze mit Sand gefüllt. Agnes.


FERDINAND. Sand, Sand! Weißen Sand! Brauchen Sie keinen Sand, Jungferchen?

AGNES. Ich will mal nachsehen. Sie geht zu dem Sandfaß.

FERDINAND. Nur in dieser Verkleidung konnte ich mir Bahn brechen. Sie ist zwar nicht sehr propper. Aber dadraus muß man sich nichts machen. Sie verschaffte mir den Eingang[38] und wird meinem weiteren Siegeslauf kein Hindernis in den Weg legen.

AGNES. Es ist zwar noch Sand drin, da Sie aber einmal da sind, geben Sie her. Wie viel haben Sie denn?

FERDINAND schmachtend. Für 'nen Groschen.

AGNES nimmt das Faß. Da schütten Sie aus!

FERDINAND schmachtend den Zipfel der Schürze, welche mit Sand gefüllt einen dicken Beutel bildet, an das Herz drückend. O dürfte ich Ihnen mein Herz ausschütten!

AGNES. Rasch! Rasch! Halten Sie mich nicht auf!

FERDINAND. Sie werden mich vielleicht für einen Sandjungen halten.

AGNES. Für was sonst?

FERDINAND. Ich bin nicht was ich scheine, ich bin –

AGNES. Hier haben Sie Ihren Groschen und verlieren Sie Ihre Zeit nicht.

FERDINAND tritt betroffen zurück. Sie verkennen mich. Diese Schürze ist nur eine Maske, und hinter diesem Sandhaufen schlägt ein edles Herz.

AGNES freundlich lachend. Junge, du bist wohl verrückt –

FERDINAND. Du! O Agnes! Dieses kleine »Du« macht mich überglücklich. Er stürzt ihr zu Füßen und läßt dabei die Schürze fallen, der Sand bedeckt den Boden. Stoßen Sie mich nicht zurück. – Nur um Ihnen keine Ungelegenheiten zu machen, wählte ich diese Maske. – Nur in dieser Verkleidung war es mir möglich, mir diese Unterhaltung an Ihrem Herde zu erwirken. Ich bin Ferdinand – der Kellner von drüben – der so frei war, sich bereits schriftlich an Sie zu wenden.


Es klingelt stark.


AGNES für sich. Ich weiß nicht, soll ich lachen oder ernst werden. Der Mensch ist so possierlich.


Es klingelt noch starker.


AGNES. Um Gottes willen! – Es klingelt an der Haustür, das ist die Friseurmamsell der gnädigen Frau, wenn die Klatschliese Sie hier sieht, sie ist imstande und sagt der – Sie geht durch die Mitteltür, diese bleibt offen und man sieht, wie sie durch einen Fußtritt die Haustür öffnet.

FERDINAND aufstehend. Ich begreife! Seien Sie ruhig. Wozu wäre dort dieser Schrank, wenn man sich nicht dahinter[39] verstecken sollte? Er flüchtet hinter die Gardine des Schrankes.

AGNES hat inzwischen geöffnet und kommt zurück. Mein Gott, wo ist er denn –?

DIE FRISEUSE MINNA tritt ein.


Quelle:
O.F. Berg und D[avid] Kalisch: Berlin, wie es weint und lacht. Leipzig [o.J.], S. 38-40.
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