Siebente Scene

[39] Else. Gertrud.


ELSE tritt aus der Thür. Nun da bin ich – doch halt! Tritt schnell wieder zurück, macht das Gitter zu und lehnt sich mit dem Oberkörper heraus, wie aus einem Fenster. Eben fällt mir bei, heute ist Walpurgis, da mag ich mein friedliches Haus nicht verlassen; die Schwelle ist geweiht, hier können mir die bösen Geister nichts anhaben.

GERTRUD gezwungen lachend. Ihr seid thöricht, Else, wovor fürchtet Ihr Euch?

ELSE. Wovor? Ei das wißt Ihr so gut, wie ich; vor Hexen und Kobolden, die in der ersten Mainacht losgelassen sind.

GERTRUD. Wahrhaftig, Else! Ich schäme mich in Eure Seele! Könnt Ihr, eine vernünftige Frau, die albernen Ammenmärchen des Pöbels wiederholen, ja, sogar glauben?! Wohl sind in der ersten Mainacht alle Naturkräfte mächtiger, weil der Frühling erwacht; die Elemente erzeugen geheimnißvolle Gestalten, die der starke Geist des Menschen sich unterthan machen kann, aber im edleren Sinne als Euer armes Mährlein berichtet; auch ich ziehe hinaus auf die leuchtende Bergspitze, wo man vereint findet, was die Erde an Herrlichkeit erzeugt. Wollt Ihr mit Else?

ELSE. Behüte mich der Himmel! Nein, geht nur allein, mich verlangt nicht nach solcher Herrlichkeit. Laßt überhaupt die seltsamen Redensarten, und erzählt mir lieber, was Ihr von Herrmann erfahren, damit ich meinem Rudolph morgen doch wenigstens sagen kann, welchen Gast ich beherbergte.

GERTRUD schnell. Kommt Euer Mann morgen schon?[39]

ELSE. Ja wohl, ich zähle ja jede Minute.

GERTRUD für sich. Weh mir – auch ich – doch eine um die andere verrinnt. In diesem Augenblicke fliegt ein Feuerball über die Bühne.

ELSE schreit laut auf und versteckt sich hinter die Thür.

GERTRUD sieht sich ruhig um. Ich komme!

ELSE. Gott steh' mir bei! Was war das?!

GERTRUD kalt. Eine Sternschnuppe, die mich mahnte, daß es an der Zeit sei, aufzubrechen.

ELSE. Fahrt Ihr denn wirklich auf den Blocksberg zum Hexentanz?

GERTRUD. Erzürnt mich nicht Else, hört auf mit Euren Possen! Ihr könnt doch unmöglich solchen Unsinn glauben? Ich gehe, die Elementargeister in ihrer Pracht zu belauschen, und so mein Wissen zu vermehren, währet Ihr klug, so ginget Ihr mit.

ELSE mit Neugier kämpfend. Nein! Danke schönstens! Den Weg mögt Ihr allein machen, dazu bekommt Ihr die Else nicht. Prasselnd rollt ein kleines Fuhrwerk auf die Bühne.

GERTRUD. Seht, hier ist mein Fuhrwerk schon.

ELSE biegt sich neugierig aus der Thür. Es ist so finster, ich kann nichts unterscheiden; das ist wohl ein Besen oder eine Ofengabel?[40]

GERTRUD lacht höhnisch. Ihr macht mich lachen mit Eurem tollen Kinderwahn – Tretet heraus und betrachtet mein leichtes Wägelchen; Ihr würdet Euch Eurer Thorheit schämen.

ELSE. Ich möchte wohl so etwas ansehen, ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das sein muß; wenn ich mich nur nicht vor den bösen Geistern fürchtete.

GERTRUD. Ich bin ja hier und schütze Euch, ich Eure treueste Freundin; was sollte Euch denn widerfahren? Die Musik beginnt.

ELSE tritt heraus. Da habt Ihr Recht; Nun, da bin ich! Wo seid Ihr denn mit Eurem Fuhrwerk?

GERTRUD. Reicht mir die Hand, ich will's Euch zeigen.

ELSE streckt die Rechte nach ihr aus.

GERTRUD faßt rasch ihre Hand und zieht sie zu dem Wagen, indem sie sagt: Hier ist es, Else! Hier, seht Ihr es nicht?

ELSE. Nein, ich meine, es wird immer dunkler; laßt mich los, mir wird bange.

GERTRUD stößt Elsen in den Wagen und hält sie fest, indem sie ruft. Du bist in meiner Gewalt.

ELSE. O wehe, weh' mir, was hab' ich gethan! Sinkt bewußtlos in dem Wägelchen zusammen.

GERTRUD. Ein Laut bringt Dir den Tod. Der Wagen verwandelt sich in eine riesige Eule mit feurigen Augen und ausgespannten Flügeln.[41]

GERTRUD beschwörend.

Nun Geist aus der Tiefe herauf! herauf!

Beginn durch die Lüfte den schwindelnden Lauf!


Nach dem Worte »Herauf« erscheint dicht hinter Elsen ein grauer Dämon mit großen dunklen Fittigen und einer blau lodernden Fackel, er tritt an ihre Seite. – Die Eule entschwebt mit Beiden.


GERTRUD.

Dort ziehen sie hin durch den Nebelduft;

So ist es geschehen! mein Schicksal ruft!


Sie eilt rechts ab.

Unter stürmischer Musik fällt der Vorhang.
[42]

Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 9, Leipzig 1863, S. 39-43.
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