Erste Scene

[43] Der Dämon schwebt mit Else auf der Eule nieder.


ELSE liegt ohnmächtig mit aufgelöstem Haar. Sobald sie am Grabe sind.

DÄMON.

Vollbracht ist die Arbeit, das Werk gelang,

Weil sie nicht die sündige Neugier bezwang.

Bin gierig, den Lohn meiner That zu empfahn;

Denn wie mir geboten, so hab' ich gethan.


Er hebt Elsen herab und legt sie auf das mittelste Grab, dann hält er die Fackel mit ausgestreckter Hand über ihr Haupt.


Verflossen sind siebenmal sieben Tage,

Seit dem Du geschlafen ohn' Schmerz und Klage.

Nicht länger darf Waldesnacht Dich umhüllen,

Was selbst Du verschuldet, muß sich erfüllen.

Bald wird er entschwinden der magische Schlummer,

Dann sollst Du erwachen zu Qual und Kummer;

Denn fern von den Deinen, im fremden Land,

Wirst einsam Du stehen und unbekannt.

Dein treulos Gedächtniß soll nimmermehr kennen

Die Namen, die Heimath und Gatten Dir nennen.[43]

Der eigne Name selbst soll Dir entschwinden,

Wirst nichts, als die Last Deines Leid's empfinden,

Bis Dir einst ein Nam' aus der Heimath erklingt,

Der siegend die Kraft dieses Zaubers bezwingt.


Tritt in den Flugwagen.


Nun fort mit gewaltigem Flügelschlag;

Denn drohend erhebt sich der junge Tag.

Drum eilenden Flugs ob der Erde hin,

Daß rasch ich mir hole der Arbeit Gewinn.


Die Eule entschwebt mit dem Dämon durch die Luft. Finstere Nacht bedeckt noch immer die Bühne. – Rauschende Musik bis der Dämon entschwand, dann geht die Musik nach und nach in ein weiches Adagio über. – Die Morgenröthe steigt im Hintergrunde auf und beleuchtet Wolfenbüttel. Man hört Schalmeien, als ob der Hirt austriebe.


ELSE macht einige unruhige Bewegungen im Schlafe, ohne zu erwachen.

MEHRERE BAUERSLEUTE gehen über die Bühne.


Nach und nach wird es hell. Man hört endlich Glockengeläute und Kanonendonner, aber sehr fern. Nach einer Pause treten auf.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 9, Leipzig 1863, S. 43-44.
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