Fünfte Scene

[48] Vorige. Graf Marquard von der Eiche.


GRAF. Der Herzog mag mit meinem tollen Pferde rechten, nicht mit mir. Die Huldigung ist sicherlich vorüber, und ich komme zu spät.

STEFFENS. Ei, Gott zum Gruß! gestrenger Herr Graf! Helft uns doch aus der Noth. – Da liegt ein närrisches Weibsen an der Landstraße, das mich nicht vom Fleck lassen will, sie giebt vor, nicht zu wissen, wer sie ist, noch woher sie kommt, und will durchaus mit mir nach Hause. Nun, ich hätte just nicht[48] so viel dagegen, aber sie ist jung und hübsch, mein Weib aber ist alt und häßlich, das paßt denn eben nicht zum Besten zusammen. Ihr seid ein Hagestolz, edler Herr, nehmt Euch des armen Weibes an.

GRAF. Das ist eine seltsame Zumuthung, Meister! Denkt Ihr, weil Ihr zu meinem Wein die Fässer macht, dürft Ihr für meine Burg die Bewohner liefern? Das will mir schlecht behagen. Wer seid Ihr, Frau?

ELSE mit starrem Blick. Ich weiß es nicht.

GRAF. Nicht? Das ist seltsam genug. Zu Steffens. Sie. blickt starr und wild, sie ist wohl am Ende wahnsinnig?

ELSE zuckt zusammen. Wahnsinnig, Herr? Ja, Ihr habt Recht, es wird wohl so sein, und bin ich es nicht, so muß ich es wohl werden, ich muß! Vor sich hinstarrend. allein, verlassen, fern vom Vaterland, meiner Sinne beraubt, die Sehnsucht nach den Meinen in der wunden Brust, und Nacht um mich – über mir, – in mir! – Ha! Wehe! Seht Ihr dort die Eule mit schwarzen Schwingen? Ja, jetzt besinne ich mich – Die Eule war's, die mich hinwegtrug aus der Heimath. Berge, Ströme, Städte, Wälder flogen an mir vorüber – es flammte um mich, ich schrie laut, da fiel ich, und fiel, – und fiel – bis alles um mich finster ward, und meine Sinne schwanden. Dort ist der gräßliche Vogel wieder – nehmt mich mit, laßt mich nicht hier; denn Angst und Grausen tödten – Verzweiflung! Wehe! Sinkt ohnmächtig zusammen.

GRAF. Unglückliche! Fürwahr ich nehme Theil an ihr! – Doch was mit ihr beginnen? Helft sie von hinnen schaffen, Ihr[49] Herrn; so ganz verlassen können wir sie hier doch nicht liegen lassen. Legt Hand an, Meister Steffens, sie ist ja auch ein Geschöpf Gottes, denkt jetzt nicht Eurer zänkischen Frau. Helft, Meister, helft!

STEFFENS erhebt sie mit Hülfe des Ohles und beide führen sie langsam dem Grafen nach. Ja, Ihr habt gut reden, Herr Graf, meine Anna ist gar eine böse Sieben. Gutmüthig. Na, kommt Weibsen, erholt Euch!

GRAF. Nur vorwärts, Ihr Herrn, vorwärts nach der Stadt, ich will mir indeß überlegen, was zu thun. Alle ab.


Verwandlung.

Prächtiger Saal.

Im Hintergrunde ein Thronhimmel, unter welchem Heinrich von Wolfenbüttel im Krönungsornat steht. – Ein zahlreicher glänzender Hof umgiebt ihn knieend. Als verwandelt wird, Trompeten- und Paukenschall und der Ruf:

Es lebe unser gnädiger Herzog, er lebe hoch!


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 9, Leipzig 1863, S. 48-50.
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