Dritte Scene

[61] Sobald verwandelt ist, tritt Suse rechts aus einer Seitenthür, dehnt sich wie aus dem Schlafe kommend, gähnt und zählt.


SUSE. Eins – zwei – drei – vier –


Nach den Vierteln ertönt der Stundenschlag, welches anders klingen und ein anderes Tempo haben muß.


Eins – zwei – drei – vier – Horchend. Nichts mehr? Was, erst Vier? Wieder eine Stunde zu früh aus dem Bett, und hier ist's auch noch so todt, als wollte es nimmer Tag werden. – Prr! Sie schüttelt sich. Ist mir's doch wunderlich zu Muthe; sonst brachte mich die Base nicht aus dem Schlaf und jetzt bin ich immer die Erste aus den Federn. Das macht, glaube ich, die Furcht und das unheimliche Wesen hier. Sobald ich allein in der Kammer bin, sehe ich nichts als Hexen und Kobolde, da ist's denn freilich mit dem Schlafen vorbei! 's ist aber auch Alles wie verdreht hier im Hause, seit der verwünschten Walpurgis-Nacht – mit der Base ist's gar nicht mehr auszuhalten, die ist wie umgewechselt, und der Vetter, Schlägt die Hände zusammen. der ist, als gehöre er gar nicht ins Haus und als wären sie nicht mehr Mann und Frau. Ja, jetzt weiß ich, warum ich mich so schrecklich fürchte, weil kein Mannsbild mehr im Hause ist. Seit er von der Reise kam, hat er sich drüben im[61] Hammerwerk einlogirt, schläft dort bei den Gesellen, »um Aufsicht zu halten«, sagt er – und uns Frauen könnte hier der Böse mit aller Gemächlichkeit holen, der Vetter würde es erst am andern Morgen erfahren. Legt den Finger an die Nase. Hm, hm! Sonst ging das Hammerwerk Tag und Nacht ohne den Vetter – dahinter steckt etwas! – Freilich, Else ist meine Base, aber daß er sie nicht mehr mag, nehme ich ihm nicht übel; denn sie ist so verändert – so – ich möchte sie auch nicht mehr, wenn ich wäre wie er. – Was sie nur des Morgens in der Kammer dort immer treibt? Neugierig war ich mein Tage nicht, aber das möchte ich doch endlich wissen. – Horch! es rührt sich was drinnen – das ist sie! Ich muß einmal sehen, was sie macht. Schleicht auf den Zehen an die Thür. Neugier ist gewiß nicht mein Fehler, aber das müßte ich wissen, und wenn's mein Tod wäre! Bückt sich zum Schlüsselloche. Ei, der Tausend, was hat sie da für eine seltsame Pflanze vor sich stehen? so was sah ich in meinem Leben nicht. Wie der Thau auf den breiten schönen Blättern steht! Das ist kurios – in der Kammer liegt der Thau auf dem Gewächs, wie kommt der herein durch die Decke? – Das geht nicht mit rechten Dingen zu! Sieh einmal, was macht sie da? Verwundert. Sie wäscht sich das Gesicht mit dem Thau von den Blättern! Jetzt sieht sie auf. Fährt plötzlich von der Thür zurück, so daß sie einen Sessel umwirft. O weh, da ist sie schon.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 9, Leipzig 1863, S. 61-62.
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