Fünfte Scene

[19] Leblanc. Graf. Diener Seitenthür links.


DIENER tritt vor ihm ein, und öffnet ihm die Thüre. Ich werde sogleich Herrn Leblanc – Geht sogleich ab, da Leblanc vortritt.

LEBLANC wendet sich rasch, erstaunt. Excellenz! – Sie beehren mich? Welche Ueberraschung!

GRAF in feiner Gesellschaftstoilette, den Annen- Orden um den Hals, mehrere Orden und einen Stern auf der Brust, scheinbar eilig, mit herablassender Höflichkeit, ihm die Fingerspitzen reichend. Ah, mein lieber Leblanc, ich treffe Sie ohne Zeugen? Sehr erwünscht! Sie entschuldigen doch meinen späten Besuch?

LEBLANC deutet auf den Divan. Excellenz sind in meinem Hause zu jeder Stunde willkommen. Wäre mir bekannt geworden, daß Sie schon zurück sind –

GRAF unterbrechend. Seit gestern erst, und ich würde Ihre Zeit nicht schon heute für meine Geschäfte in Anspruch nehmen, wenn nicht Gefahr im Verzug wäre, und meine Nachricht auch Ihre Interessen berührte. Ich komme direct von Rothschild, wo ich zufällig durch einen Vertrauten Foulds den Wink erhielt, daß morgen gegen Mittag, Credit Mobilier entschieden fallen – und Nordbahn fabelhaft steigen wird. Da mein Mann ein Wissender ist, so verließ ich eiligst das Souper um Sie zu bitten: daß Sie allen Credit Mobilier, den Sie von mir in Händen[19] haben, morgen sogleich bei Eröffnung der Börse losschlagen, und mir Nordbahn dagegen austauschen lassen.

LEBLANC ganz Leben. Mit Vergnügen, Excellenz, ich selbst werde den Umsatz besorgen, und bin Ihnen für diesen wichtigen Wink hochverpflichtet.

GRAF steht auf. Somit wäre unser Geschäft abgethan, und will ich Sie Ihren Gästen nicht länger vorenthalten. – Sie feiern ja eben, wenn mein alter Secretär recht gehört, die Verlobung Ihres Sohnes mit einer reizenden jungen Deutschen. Es soll ein ganz ausgezeichnetes Mädchen sein, man darf Ihnen also Glück wünschen! –

LEBLANC der anfangs sehr verwundert ist, sich sammelnd. Ein Glückwunsch – der leider eben so verfrüht ist, Excellenz, als das Gerücht von dieser Verlobung, dessen Entstehung ich mir nicht erklären kann.

GRAF. Wie? – So wäre davon nicht die Rede?

LEBLANC. Wenn ich auch nicht leugnen will, daß diese Verbindung mein Lieblingswunsch ist, so hat doch meine Pathe bis jetzt keine Ahnung davon, und soll meine Absicht auch nicht eher kennen lernen, als bis ihr Herz unsre Wünsche erräth und theilt.

GRAF sarkastisch. Eben so delicat – als romantisch, Herr Leblanc – ich bewundre Ihre Geduld.

LEBLANC achselzuckend. Meine Mündel ist ein so zartfühlendes und zugleich energisches Wesen, daß es keinen anderen Weg zu unserem Ziel giebt.

GRAF. Ah, Sie machen mich wahrhaftig neugierig sie kennen zu lernen, und wenn ich nicht fürchten müßte aufdringlich zu erscheinen, so würde ich Sie bitten, mir einen Blick in den Ballsaal zu gestatten.

LEBLANC sich verbeugend. Excellenz beehren mich; doch muß ich zum Voraus bemerken Lächelnd. daß keineswegs von einem Ball, sondern nur von einem einfachen Thé dansant die Rede ist. Beide gehen.

LEBLANC. Horch – Stimmen – Gelächter! Ah, da ist sie ja selbst. Sieht links hinein.

GRAF rasch. O bitte – lassen Sie uns die heitere Gesellschaft vorerst nur von ferne betrachten, ich will durchaus nicht stören. Er tritt rasch zu der Blumenstellage links von dem Bogen.

LEBLANC tritt befremdet an seine Seite.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 10, Leipzig 1863, S. 19-20.
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