Neunte Scene

[27] Vorige. Leblanc.


LEBLANC vortretend. Das soll es nicht! Nein, bei Gott – nein! In solchen Schmerzen sollst Du nicht von uns scheiden. Rose, wenn Du fühlst was Du mir schuldest – so erwäge was Du thust, da Du uns verläßt.

ROSE faltet entsetzt die Hände. Großer Gott! Auch Sie – auch Sie?

LEBLANC. Auch ich – ja! Um Deinetwillen fordere ich Dich auf Dein Herz zu fragen, ehe Du wählst zwischen den Deinen und uns![27]

ROSE in fieberhafter Hast. Wählen? Ich habe keine Wahl! Ich kenne keine Frage an mein Herz, deren Beantwortung mich der Pflicht des Gehorsams gegen den Vater entbinden könnte.

LEBLANC ihr näher tretend. Und wenn Du liebtest – wenn Du geliebt würdest?

ROSE zuckt zusammen.

LEBLANC fortfahrend. Wenn die Trennung erst Dir Deine Gefühle klar machte, wenn Du, daheim eine Fremde geworden, zu spät erkennen müßtest an wessen Brust Deine wahre Heimath? Ist das keine Frage die entscheiden kann zwischen Vater und Tochter? Gebietet nicht der Herr dem Weibe: Vater und Mutter zu verlassen – und dem Manne zu folgen?

ROSE hat beide Hände krampfhaft auf die Brust gedrückt und starrt vor sich hinaus, fast tonlos. Und so sprechen Sie zu mir, Sie, der mich nicht halten wollte?

LEBLANC schmerzlich. Ich halte Dich ja nicht! Du bist frei! Kannst bleiben oder gehen!

ROSE in qualvollem Kampf. Sie stürzen meine Seele in Zweifel, Sie haben meine Entschlüsse erschüttert – o ja, Sie halten mich! –

BASTIAN. Ja wohl halten sie Dich, den Brief haben sie Dir unterschlagen – Der Herr Leblanc hat's selbst geschrieben, daß Du nicht kommen wolltest.

ROSE sieht Leblanc entsetzt an. Pathe!

LEBLANC sieht vor sich nieder.

BASTIAN fortfahrend. Die Ehrlichkeit mußt Du hier nicht suchen! Daheim sind die ehrlichen Herzen die Dein Glück wollen! Nein Rosel, Du wirst Dich nicht halten lassen von den falschen Leuten Immer ängstlicher werdend. Du kommst mit mir, gelt? Du denkst an das arme Dorle, das sich verlobt hat: daß sie nicht vor den Altar gehe ohne Dich! Denk, daß sie in Herzensangst droben sitzt auf dem Hirschensprung und hinunterschaut in's Thal nach Dir, die ihr als Kind das Leben gerettet hat, und ihr jetzt das Herz bricht, wenn der alte Bastian kommt – ohne Dich! Verzweifelnd. Rosel! Muß ich allein heim?

ROSE die in qualvollem Kampfe stand, zu ihm hinschwankend, streckt die Hand nach ihm aus, mit gebrochener Stimme. Nein! Nein – nein – da habt – Ihr mich! – Und stürzt ohnmächtig vor ihm nieder.

ADOLPH will zu Rose eilen. Großer Gott!

CHARLES hält ihn kräftig zurück.

LEBLANC schreit auf, stürzt neben ihr auf die Knie, und faßt sie in de Arme. Rose?

BASTIAN entsetzt. Unser Kind!

LEBLANC mit Triumph auf Bastian. Ihr Herz hält sie hier! Sagt das dem Sonnenwirth!


Der Vorhang fällt rasch.
[28]

Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 10, Leipzig 1863, S. 27-29.
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