Achte Scene

[47] Vorige. Steffen von links.


STEFFEN bleich, verstört, mit verwildertem Haar und Bart, hereinstürzend. So ist's doch wahr. Du bist da, Lisbeth! Ich hab's dem Peter nicht glauben wollen, der Dich hat durch's Baumgut schleichen sehen, daß Du mir den Schimpf anthust und gehst noch einmal zur Dore.

LISBETH. Ich hab' Dir keinen Schimpf angethan, hab' Dir eine Wohlthat erweisen, hab' Dir helfen und das Dorle erbitten wollen, daß sie Dir verzeiht!

STEFFEN wild lachend. Mir verzeiht? Die Dore, mir? Wart nur erst ob ich ihr mein Lebtag vergeb' was sie an mir gethan, dann kannst alt werden, Lisbeth!

GERTRUD. Und Du getraust Dich so zu reden, vor mir, kecker Bursch?

STEFFEN. Und warum nicht, Frau Gertrud? Thut mir die Lisbeth nicht vor Euch die Schand' an, daß die Dore zuletzt meint: ich hab' sie geschickt und laß mich bei ihr anbetteln?

LISBETH zornig. Und wenn Du's thätest, was wär's? Meinst das Dorle wüßt nicht wie's in Dir aussieht, und daß Du zu Grund gehst, wenn sie Dir nicht hilft? Was stellst Dich so hochmüthig und ungebehrdig – und spürst's doch g'rad jetzt wieder, daß Du nun und nimmermehr von ihr lassen kannst!

STEFFEN immer ohne Dore anzusehen. Wer sagt Dir das? Ich kann wohl von Derjenigen lassen, die um die hoffährtige Schwester, mich zum Gespött gemacht hat, daß ich mich nicht mehr kann sehen lassen unter rechten Leuten! Ich mein' ich hab's ihr gezeigt, daß ich's kann.[47]

DORE stand mit gesenktem Blick und tiefathmend, erhebt jetzt den Kopf und sieht ihn fest an, mit sanfter Würde. Es thut mir leid um Dich und mich, Steffen, daß Du das gekonnt hast. Ich hab' gemeint, daß Deine Braut Dir näher am Herzen läg' als die leichtsinnigen Wirthshauscumpane, die nichts wissen von Gottesfurcht und Pflichttreue. Mit bebender Stimme. Ich hab' Dich zu lieb gehabt, drum hab' ich's nicht glauben können, daß Du im Ernst von mir lassen würdest, weil ich der leiblichen Schwester zu helfen ging aus Noth und Gefahr. Weißt Steffen, die Geschwisterlieb' hat auch unser Herrgott eingesetzt, wie die Lieb' von Mann und Weib! Du aber hast mich beschimpft bei der Abreis', vor dem Bastian – als wär' ich das schlechteste Mädchen. –

STEFFEN sie unterbrechend. Weil Du Dir die Gefahr nur eingebildet hast, damit Du nicht Hochzeit haben müßtest ohne die Rosel; die ist schon die Person die sich selber zu helfen weiß. Aber daß Du mir lieber warst als Alles auf der Welt, daß mir das Herz in Stücke ging, das hast Du nicht geachtet, und wenn ich Dir dazumal in der blinden Wuth hab' böse Wort' gesagt, Mit Gewalt seine Bewegung niederkämpfend. so kannst mir's glauben – daß ich's bitter bereut – und tausendfach abgebüßt hab' in der Zeit.

DORE. Das freut mich für Dich Steffen, so kann ich doch im Guten an Dich denken; aber an Deine Lieb' kann ich nicht mehr glauben, das ist vorbei. Verlassen hast Du mich einmal, hast's über Dich gebracht fast ein Jahr nicht nach mir umzuschauen – das hätt'st Du nicht können, Mit bebender Stimme. wenn Du mich gern gehabt hätt'st.

STEFFEN mit Leidenschaft ausbrechend. Ich hab' mich ja nicht nach Dir umschauen dürfen, Dorle, ich hab Dich nur zu gern gehabt; was hätt' ich denn an Dir gesehen als mein großes Elend? – Ich darf Dich ja doch nicht mehr heimführen! Stampft wüthend mit dem Fuß. Hab's Dir ja geschworen damals »so wahr ich ein ehrlicher Mann sei, wenn Du der Rosel in's Frankreich nachliefst, so nähm' ich Dich nicht mehr.«

ROSE aufschreiend. Das war's, das? Sinkt wie zerschmettert in die Knie. O himmlischer Vater! –

GERTRUD zu Rose tretend. Rosel!

LISBETH von einem Gedanken ergriffen. Deswegen kannst Du die Dore schon heimführen, denn Dein Schwur gilt schon lang' nichts mehr.

STEFFEN. Was? Was?

DORE. Lisbeth!

LISBETH. Ist der Bruder, der seiner Schwester ganze Habe auf des Vaters Hof hat und ihn hinter ihrem Rücken verpfändet, um das Geld an die Spielbank in Baden zu tragen, ein ehrlicher Mann? Du kannst's wieder werden, Steffen, noch ist Dir zu helfen, aber nur wenn Du den sündhaften Hochmuth ablegst. Fall' vor dem Dorle auf die Knie und bitt ihr ab was Du ihr gethan, sie wird Erbarmen mit Dir haben!

DORE. Nein – nein – Steffen, ich möcht' nicht mehr leben, wenn ich Dich so vor mir gesehen hätt'.

STEFFEN. Und eh' ich das thät', Dore, eher spräng' ich vom Kesselberg in die tiefste Schlucht! Aber Sich erhebend. ein rechtschaffener Mann will ich wieder werden, das schwör' ich; es ist genug, daß ich das Dorle verloren[48] hab' – aber das vertrag ich nicht, daß sie mich verachten dürft! Weich. Behüt Dich Gott, mit uns ist's vorbei für alle Zeit! Wir hätten glückliche Leut' sein können Mit einem finstern Blick auf Rose. wenn die da nicht in der Welt gewesen wär' – jetzt aber sind wir elend allesammt – Will abstürzen. und können nichts dafür!

ROSE tritt ihm entschlossen in den Weg. Du kannst dafür, Steffen, wenn Du die Dorothee ein Werk der Liebe mit ihrem ganzen Lebensglück büßen läßt! Glaubst Du, daß Du glücklich mit ihr werden konntest, in einer friedlichen gottgesegneten Ehe, wenn ihre Mitgift die Schande gewesen wäre, die ich über Vater, Mutter und Freundschaft gebracht hätte ohne Dorothee's Hilfe?

GERTRUD entsetzt. Rosel!

LISBETH. Herr Gott!

STEFFEN. Schande, Du?

DORE Rose umschlingend. Nein, nein, läst're Dich nicht selbst Rose.

ROSE großartig. Ja, Schande – ich wiederhole es! Wohl war ich in Gefahr und Noth – und konnte mir nicht selbst helfen wie der Steffen wähnt, denn mein Herz war mit dem Versucher, mein Geist war irre, eine glühende Leidenschaft beherrschte mich – ich wäre mit dem Mann, den ich liebe, in die weite Welt gegangen, hätte die Heimath nie wiedergesehen, und wäre nachher gestorben in der Fremde vor Reue und Schmach, wenn Dorothees Opfer mich nicht vor dem Sturz bewahrte!

DORE in Thränen. Wie Du einst mir gethan, da Du mein Leben gerettet!

ROSE mit Leidenschaft. O! Du hast mehr gethan, hast meine Seele, hast mir die Achtung des Mannes gerettet, den ich nie vergessen werde – und dafür soll Dein ganzes Leben nun elend sein? Steffen, Du bist ein schlechter Mensch, wenn Du sie jetzt noch Deinem thörichten Gelübde opfern kannst – thust Du es aber, so warst Du niemals einen Blick werth, den die Dorothee Dir geschenkt, dann geh' hin – sie soll Dich verachten lernen!

STEFFEN der in heftiger Bewegung stand, wendet sich plötzlich zu Dore, und streckt die Hand aus. Dorle – kannst mir verzeihen?

DORE ohne aufzusehen. Ja, Steffen, von Herzensgrund!

STEFFEN aufschreiend. Dorle! – Und wann Leise und schüchtern. wann soll die Hochzeit sein?

DORE ihn fest ansehend. Wenn Du wieder der alte Steffen geworden – und wenn die Rose glücklich ist, dann frag' noch einmal an.

GERTRUD. Aber Dorle!

LISBETH schüttelt den Kopf.

STEFFEN senkt betrübt den Kopf. Ich dank' Dir Dorle auch dafür. Hab's nicht besser verdient. Wendet sich zum Gehen.

ROSE mit leuchtenden Augen. So sag ihm gleich wann die Hochzeit ist, Dorothee – denn ich bin glücklich – glücklicher als ich jetzt bin, kann ich niemals wieder werden! So nimm die schwere Last von meiner[49] geängstigten Seele! Erbarme Dich über ihn und mich, Zwischen Lachen und Weinen. sag' nur ein Wort: Steffen, auf Pfingsten

DORE überwältigt. Soll die Hochzeit sein! Fällt Steffen um den Hals.

STEFFEN. Gott vergelt's, Rose!

GERTRUD schließt Rose in die Arme.


Der Vorhang fällt rasch.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 10, Leipzig 1863, S. 47-50.
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