Zweite Scene

[22] Guttenberg, hinter ihm Lorenz, mit einem Pack Pergamente unter dem Arm. Vorige.


GUTTENBERG einfacher als im ersten Akt gekleidet, ohne goldene Kette und Schwerdt, aber dennoch seinem Stande gemäß. Guten Morgen, Meister Fust – Gott grüß Dich, Peter.

FUST finster. Guten Tag.

PETER sehr freundlich und demüthig. Schönen Dank, Herr von Guttenberg. Ei, was führt Euch heute so früh schon her?

GUTTENBERG fährt mit der Hand über die Stirne. Nichts Erfreuliches, guter Schöffer! Er sieht Fust an, gutmüthig. Ihr seid mißgemüth, Meister Fust? Das ist mir gar nicht lieb, Herzlich. denn gerade heute hätte ich Euch recht bei froher Laune gewünscht, es ist wahrlich nöthig.

FUST. Wie das?

GUTTENBERG. Schaut her – Er nimmt Lorenz das Pergament ab. da sind wir einmal wieder betrogen, ich muß den Druck sistiren, wenn Ihr nicht Hülfe schafft; der neue Transport Straßburger Pergaments, er taugt nichts, ist unbrauchbar – es fließt die Schwärze, und der erste Bogen, den wir abzogen, ist rein verloren!

FUST reißt ihm das Pergament aus der Hand. Schändlich[22] – da sind ja wieder 200 Gulden vergeudet! – So giebt's denn ewig Hindernisse, wir kommen nicht vorwärts, und es wird wahr, wie mir es immer ahnte, Geld und Zeit sind nutzlos vergeudet! –

GUTTENBERG sieht ihn groß an. Ei, Meister Fust, was führt Ihr für eine Sprache? – Geld und Zeit vergeudet? – Was kommt Euch doch zu Sinne? – Habt Ihr je vernommen, daß das Körnlein, so aus des Säemanns Hand in die Furche fällt, das Haupt gleich wieder als Aehre gen Himmel streckt? – Erst muß Frost und Schnee, Sturm und Gewitter darüber hinziehen, ehe es herausschaut aus der grünen Erde, in Halmen schießt und endlich freudig strotzend zur Erndte reift! – Ist doch, ehe ich mein großes Werk gedeihen sah, gar manches schwere Ungewitter hingezogen über meinem Haupte, und ich hab's festgehalten, aufrecht, kühn dem Sturm entgegen, denn der Herr war mächtig in mir, und sprach aus meinem Innern tausendmal: »verzage nicht, ein treuer Arbeiter findet seinen Lohn!« Und nun, da das Ziel so nahe, das freudige Gedeihen so sichtlich ist, nun seid Ihr kleinmüthig und sagt mir also harte Worte? – Innig. Ei, lieber Meister, seht, das thut mir recht im Herzen weh, und scheint es mir, Ihr habt's nicht wohl bedacht, was Ihr da spracht!

FUST sich mit Absicht erhitzend. Was helfen mir Eure schönen Worte, Herr von Guttenberg, und all dies gottesfürchtige Thun und Sprechen! Ich sehe nichts von dem Gedeihen, das Ihr preis't! Bald fehlt's an Typen, bald ist die Druckerschwärze schlecht, jetzt wieder ist das Geld für das Pergament vergeudet, und wer soll es bezahlen, denn ich?

GUTTENBERG allmählig von seinem gutmüthig offenen Ton zur Kränkung, und endlich zu edlem Zorn übergehend. Johannes Fust, wäre ich nicht ein armer Mann, Gott weiß es, Ihr hättet von dem Schaden nimmermehr gehört, ich hätte ihn gern aus eigenen Mitteln gedeckt! Ihr wißt, ich kann es nicht! Ihr wißt, ich habe an die Erfindung meiner Kunst,[23] an tausend und aber tausend mißlungene Versuche mein Habe und Gut gewendet. Die Presse hat Alles verschlungen – doch sie wird es wiedergeben tausendfach, und von den schwarzen Feldern wird ein Licht sich breiten durch die ganze bewohnte Erde. Begeistert. Nehmt hin die Erndte meiner Saat, den Mammon nehmt, den sie Euch trägt; doch das Bewußtsein, daß ich dieses Licht erweckt, könnt Ihr nicht rauben, und das giebt mir die Stärke, von Euch gelassen zu dulden, was ich – Gott weiß es, von keinem andern Sterblichen ertrüge!

FUST. Ihr sprecht so stolz zu mir, als wäre ich Euer Schuldner, Ihr der Gläubiger; doch meine Geduld ist zu Ende, ich sehe, wohin Ihr zielt; Ihr wollt mich um das Meine bringen, und hättet Ihr mit meinem Gold das Werk beendet – so zögt Ihr den Gewinn, und Johannes Fust könnte sehen, wie er statt des vorgeschossenen Kapitals den Spott als Zins bezöge!

GUTTENBERG anfangs starr vor Staunen. Was – was muß ich hören! Herr – sprecht Ihr mit mir? Mein Gott, mein Gott, steh mir mit Deiner Gnade bei, – der Mann da ist ja auch Dein Ebenbild, laß mich das nie vergessen! Mit unterdrücktem Grimm. Johannes Fust, Ihr kennt mich seit drei Jahren, Ihr habt mir auf den Grund der Seele geschaut, ich habe Euch mein Geheimniß gegeben, habe die Früchte namenloser Mühen in Eure Hand gelegt. – Ihr könnt mich für keinen Betrüger halten, das ist unmöglich, Ihr wäret denn taub, blind und blödsinnig! Das aber seid Ihr nicht, und also sucht Ihr Streit an mir – Ihr wollt mich reizen – wollt das Blut in mir zu einer That wecken, die mich nachher reute – treibt's nicht weiter, Herr – Ausbrechend. Ihr wißt nicht, was Ihr thut, beim hohen Himmel, Ihr könntet's mit blutigen Thränen büßen.

FUST plötzlich kalt. Herr von Guttenberg, wir wollen uns nicht weiter streiten; ich sage Euch mit zwei Worten, was mein Wille, und ferner haben wir nichts mehr zu verhandeln.[24] Als ich Euch vor drei Jahren das erste Geld geborgt, verspracht Ihr mir die Zahlung, wenn das Werk vollendet; doch statt des Endes habe ich bis jetzt nichts erlebt als Quälerei! ich will die Plage länger nicht, und somit fordere ich mein Kapital nebst Zinsen, und das noch heute!

GUTTENBERG sprachlos vor Schreck, schlägt die Hände zusammen, nach einer Pause. Das Kapital nebst Zinsen? – Nein, ich habe falsch gehört!

FUST. Das Kapital nebst Zinsen!

GUTTENBERG. O Schande über Euch, daß Ihr das Wort aussprecht! – Ich habe nicht um Euer Geld gebeten, Ihr habt mir's angeboten, um mein Geheimniß zu erhaschen. Ihr gabt mir Euer Wort, daß Ihr es erst nach Vollendung der Bibel wieder fordern wolltet, – ich schrieb Euch selbst im Schuldbrief mein Geschäft als Pfand, und schrieb Euch Zinsen zu – Ihr gabt mir Wort und Handschlag, nimmer würdet Ihr weder Pfand noch Zinsen fordern! Ihr wißt, daß ich das Kapital nicht zahlen kann im jetz'gen Augenblick, und fordert Beides nun1? Ihr seid ein wortloser Mann, ohne Treu und Glauben, ich verachte Euch!

FUST wüthend. Die Verachtung eines Betrügers verlache ich! – Ihr werdet zahlen, oder Ihr sollt den Fust kennen lernen!

GUTTENBERG stammelnd. Betrüger – ich? – Beildeck – komm, mir wird's Nacht vor den Augen! Plötzlich auffahrend. Mensch – geh mir aus dem Wege – ich habe kein Schwerdt, ich würde Dich, wenn Du mir nahe trittst! –

BEILDECK. Herr, um Gottes Gnaden willen, faßt Euch, geht von hinnen, laßt mich's nicht erleben, daß Ihr Euch vergeßt um solchen Schuftes willen! – Zu Fust. Nehmt so vorlieb, Herr Fust, es kommt vom Herzen!

FUST. Mir das, in meinem Haus! Hinaus!

GUTTENBERG zu sich selbst kommend. Ja, alter Beildeck,[25] Du hast ein wahres Wort gesprochen. – O, ich durchschaue Euern feinen Plan! – Doch der dort oben lebt – und in mir Muth und Willenskraft! Tretet denn mit mir in die Schranken, es kämpft das Licht ja ewig mit der Nacht. So laß uns sehen, ob Gott – Mit einem Blick tiefer Verachtung auf Fust. ob Teufel siege! Ab.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Johannes Guttenberg. Berlin 21840, S. 22-26.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Vorschule der Ästhetik

Vorschule der Ästhetik

Jean Pauls - in der ihm eigenen Metaphorik verfasste - Poetologie widmet sich unter anderem seinen zwei Kernthemen, dem literarischen Humor und der Romantheorie. Der Autor betont den propädeutischen Charakter seines Textes, in dem er schreibt: »Wollte ich denn in der Vorschule etwas anderes sein als ein ästhetischer Vorschulmeister, welcher die Kunstjünger leidlich einübt und schulet für die eigentlichen Geschmacklehrer selber?«

418 Seiten, 19.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon