Zweite Scene

[37] Frau Barbara. Else, ihre Tochter. Käthchen. Peter Schöffer.


KÄTHE anders gekleidet als früher, mit Schleier und Gebetbuch, bleich. Herr Schöffer, wolltet Ihr nicht einen andern Weg aus der Kirche nehmen? Und wenn Ihr gerade die Straße gehen müßt, gefiele es Euch nicht, die Seite da drüben einzuschlagen?

PETER kummervoll. Aber, Käthchen, wir gehen ja einen Weg, warum soll ich nicht an Eurer Seite bleiben?

KÄTHE. Der Herr schütze mich, daß ich jemals Eure Wege wandeln sollte! – Ich will auch von Euch nicht ferner gefolgt sein!

BARBARA. Aber, Mühmchen, warum seid Ihr denn so hart gegen den ehrenwerthen Herrn, was verschlägt uns seine Begleitung?

KÄTHE. Es will einer züchtigen Jungfrau nicht ziemen, mit einem jungen Mann aus der Messe zu gehen, es wäre denn ihr Bräutigam.

ELSE kichernd. Ei, stelle Dich nicht so, Käthe, das weiß ja ganz Mainz, daß der Herr Peter Deines Vaters Schwiegersohn werden wird! Was zierst Du Dich denn?

KÄTHE. Da sei Gott für, daß ein so ungleiches Paar zusammen komme; das wird nun und nimmermehr geschehen.

PETER betroffen und seinen Zorn verbeißend. Käthchen,[37] schont meiner doch vor den fremden Leuten! Es ist ein so freundlicher Tag, Alles ist fröhlich, und Ihr könnt so finster und hart sein?

KÄTHE ausbrechend. Ein freundlicher Tag? Aber er, den Ihr um Ehre und Freiheit brachtet, liegt im Schuldthurm! Alles ist fröhlich, aber der edelste Mann vergießt Thränen des Ingrimms! o der unauslöschlichen Schmach, könnte Fust's Tochter sich des Sonnenlichts noch freuen! –

BARBARA. Käthchen, wie wird Euch, die hellen Thränen laufen Euch über die Backen!

KÄTHE. Ja, Base, mögt Ihr's hören und mögt's der ganzen Stadt wieder erzählen: ich habe keinen Theil an meines Vaters That! – Der da ist's, der ihn zu Allem verleitet! – Guttenbergs Unglück komme über ihn!

BARBARA. Gott verzeih mir die Sünde, Käthe, was redet Ihr! – Der Vetter that sehr wohl daran, den bösen Schuldner in den Thurm zu werfen, und sich seines Geschäfts als Eigenthum zu bemächtigen; sollte er das Seine verlieren? Wahrlich, es steht Euch schlecht an, also von Euerm Vater zu sprechen.

KÄTHE. Wie, Muhme, Ihr könnt – doch was verschwende ich meine Worte, Ihr versteht freilich meine Sprache nicht! Laßt uns gehen. Herr Peter, zieht Eure Straße, und verfolgt mich nicht weiter!

PETER. O, Käthe, Ihr verfahrt schlimm gegen mich, möge es Euch nie gereuen. Er eilt ab.

ELSE. Das sage ich auch; ich weiß nicht, was Du gegen den hübschen jungen Menschen hast, wenn er mich wollte, ich nähme ihn gleich!

KÄTHE. Nimm ihn, ich danke Dir's.

BARBARA giftig. Freilich, meine Else wartet nur auf das, was die Jungfrau Muhme übrig läßt. – Ich – ich – nun, am heiligen Sonntag will ich mich nicht ärgern, aber es kommt wohl die Zeit, wo ich bei dem Herrn Vetter mein Wörtlein anbringen kann, und dann dürften ihr die Ohren[38] tüchtig klingen! Nun, Else, laß uns nach Hause gehen, denn wir verstehen ja doch die gelehrte Sprache nicht, die Jungfer Käthe spricht! Beide schnell ab.

LORENZ tritt vor. Gott sei Dank, das Gesindel ist weg und gönnt einem ehrlichen Menschen Luft! – Ach, wie oft suchte ich Euch zu nahen, doch immer vergebens!

KÄTHE. Wackrer Lorenz, seh' ich Euch endlich wieder! Ach, wie geht mir das Herz auf, wenn ich doch Einen finde, der es redlich mit ihm meint! –

LORENZ ihre Hond ergreifend, herzlich. O, Jung frau Käthe, das muß ich Euch sagen! Wie brav seid Ihr doch, wie kann eine solche Lilie neben dem Schierling blühen!

KÄTHE dringend. Was macht Dein Herr?

LORENZ. Das fragt Ihr und kennt den Guttenberg? – Mit freudigem Muth ging er damals an's Werk, er ahnte nicht, daß er seinen Prozeß verlieren könnte, denn er glaubte noch an Recht und Gerechtigkeit auf Erden. – Als sie ihm aber seine Presse nahmen, und der Fust ihn in den Schuldthurm werfen ließ, da war es aus mit ihm, das hat sein Herz gebrochen und seinen Muth! Drei ewig lange Monate sind verschwunden, Niemand kümmert sich um den Aermsten! – Die Kerkerluft zehrt an seinem Leben, er siecht hin in dumpfem Jammer! – Der Fust und Schöffer haben sich fleißig dazu gehalten, heute vernahm ich, das Bibelbuch sei fertig. Bald wird die Erfindung die Welt mit Staunen füllen, der Ruf fliegt jetzt schon durch's deutsche Land, und der Mann, von dem das Licht ausging, liegt vergessen hinter eisernen Riegeln und verzweifelt an Gott und Menschheit!

KÄTHE. O haltet ein, Ihr brecht mir das Herz!

LORENZ. Ich kann Euch den Kummer nicht ersparen, denn ich komme mit einer Bitte an Euch, und muß Euch sagen, wie es um Guttenberg steht, daß ich Euch rühre!

KÄTHE. MICH wollt Ihr rühren! Ach, Lorenz, könntet Ihr mir in die Seele schauen, Ihr würdet die überflüssigen Worte sparen! Sprecht schnell. Was kann ich thun?[39] Habe ich mir nicht zu den Füßen meines Vaters die Hände wund gerungen um die Freiheit des edlen Mannes! Und blieb nicht bis heute Alles vergebens?

LORENZ. Hört mich an. Ihr wißt ja doch, daß Euer Vater sich des Geschäfts bemächtigte als Pfand für das Kapital, doch damit begnügte er sich nicht – für die Zinsen, die er zu 400 Goldgulden anschlägt, hält er den Herrn gefangen. – Wenn wir ihm nur die Freiheit schaffen könnten, dann würde Gott wohl weiter helfen. – Er wollte mir nicht gestatten, mich an seine Schwester zu wenden, er hofft von keinem Lebenden was Gutes mehr! – Ich aber, als ich ihn täglich mehr verkümmern sah, faßte mir ein Herz, und that hinter seinem Rücken, was er nie gestattet hätte. – Ich ging zu den Klarisserinnen, doch die Schwester Agnes liegt seit Wochen an einem schweren Siechthum darnieder, und ich konnte sie nie zu sprechen bekommen. Ihr, Jungfer Käthe, seid ein frommes Mägdlein, könnt reden klar und eindringlich; wenn –

KÄTHE ihn unterbrechend. Ich das Wort für Guttenberg führen wollte? – O, guter Lorenz, von Herzen gerne! Wenn mir das glückte, der finstern Nonne das harte Herz zu rühren, wenn sie ihm helfen würde, wie gern wollte ich barfuß bis gen Hildesheim zu Maria Gnad' wallfahrten? – Es ist bald Mittagzeit – ich bin jetzt unbeachtet, zu den Klarisserinnen sind nicht hundert Schritte. Freudig. Ja, ich will den Versuch machen! Gott wird mich stärken, er sieht die Angst meines Herzens, er wird mir Worte auf die Zunge legen, wie ich sie brauche! Was ich erbitten will, ist ein gutes Werk, eine edle That, er kann mich nicht verlassen! Sie läuft schnell ab.

LORENZ sieht ihr nach. Wackres Mädchen! Nun, der Herr wird seinen Segen geben, denn wenn der Mann zu Grunde gehen sollte, verzeih' mir's Gott, so ist das Vaterunser, das ich jetzt beten will, das letzte, so über meine Lippen geht! Ab.


[40] Verwandlung.

Ganze Tiefe des Theaters. Kreuzgang im Kloster der Klarisserinnen zu Mainz; man sieht durch die Säulen des Hintergrundes in einen Kirchhof, der mit hohen Bäumen besetzt ist, auf den Gräbern blühende Lilien. Rechts und links im Hintergrunde, ohngefähr in der fünften Coulisse, zwei gothische Thüren, von welchen die eine in das Innere des Klosters, die andere in die Kapelle zu führen scheint. – In der Mitte des Kirchhofs steht ein kolossales Kreuz. Im Vorgrund rechts ein Betstuhl

vor dem Bilde der heiligen Jungfrau, welcher in einer gothischen Nische steht; links zwischen der ersten und zweiten Coulisse eine Thür. Sobald verwandelt ist, hört man hinter der Scene einen lateinischen Choral von Frauenstimmen, erst entfernt, dann immer näher kommend. Die Thür rechts wird eröffnet, die Aebtissin der Klarisserinnen schreitet voran, ihr folgt der Zug der Nonnen, Paar und Paar, jede trägt eine brennende Wachskerze in der Hand, welche mit kleinen Blumenkränzen umwunden ist; hinter der Aebtissin wird eine Kirchenfahne getragen, auf welcher die heilige Klara abgebildet; mehrere Fahnen beschließen den Zug, der sehr langsam, fortwährend singend, über die Bühne schreitet, ohne jedoch in den Vorgrund zu kommen. Der Zug geht durch den Kreuzgang und verschwindet auf dem Kirchhof; der Gesang verhallt. Die Nonnen tragen weiße Gewänder mit schwarzen Skapuliren, weiße Kopfumhüllung und dichte schwarze Schleier darüber. Sobald die Bühne leer ist, tritt aus der Pforte in der ersten Coulisse.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Johannes Guttenberg. Berlin 21840, S. 37-41.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Kleist, Heinrich von

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Nach der Niederlage gegen Frankreich rückt Kleist seine 1808 entstandene Bearbeitung des Hermann-Mythos in den Zusammenhang der damals aktuellen politischen Lage. Seine Version der Varusschlacht, die durchaus als Aufforderung zum Widerstand gegen Frankreich verstanden werden konnte, erschien erst 1821, 10 Jahre nach Kleists Tod.

112 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon