Siebente Scene

[53] Lorenz. Guttenberg.


LORENZ unter der Thür. Na, brummt nicht, Stockmeister, die Gesellschaft seines Dieners könnt Ihr ihm ja wohl gönnen!

GUTTENBERG ihm entgegen, reicht ihm die Hand. Gott grüße Dich, mein treuer Lorenz, bringt mir Dein ehrliches Gesicht doch immer Trost!

LORENZ küßt seine Hand. Ach, mein lieber gnädiger Herr, wie habe ich mich nach dem Sonntag gesehnt, wo mir mein neuer Herr vergönnt, Euch zu besuchen! – Ich mußte ja wohl in fremde Dienste gehen, denn Hunger thut weh, und beisammen könnten wir nun einmal für jetzt nicht bleiben. Er wischt sich die Augen mit dem Aermel aus. Und Ihr seid doch so gut gegen einen alten Diener, der nichts kann, als Euer Schicksal beweinen! Doch es muß anders werden, es wird anders, ich habe eine gar frohe Hoffnung!

GUTTENBERG finster. Ich hoffe nichts mehr! Das Mark in meinen Beinen vertrocknet, wie mein Glaube an die Menschheit, – der Fust wird sein Spiel bald ganz und gar gewonnen haben –

LORENZ ausbrechend. Der Bösewicht, der gottvergessene, schaamlose Bösewicht! Euer Werk, das heilige Bibelbuch ist vollendet, und wird schon verschickt an aller Welt Enden!

GUTTENBERG in der heftigsten Bewegung. Vollendet mein Werk und ohne mich! Ich habe den Baum gepflanzt, gepflegt mit Angst und Liebe, habe jede Blüthe mit sorglichem Aug' gehütet, nun sind die Früchte gereift, und ich erndte sie nicht, sehe sie nicht einmal! Jedes Blatt, jeder Buchstabe ist mir lieb geworden, mit Stolz und Wonne weidete sich mein Blick an dem gedeihenden Werk, es tritt endlich leuchtend hervor aus der Nacht, und ich rüttle vergessen an von Eisenstäben meines Kerkers! – Er sieht empor. Herr,[53] ich klage dich nicht an, ich murre nicht. Plötzlich zur Weichheit übergehend. Du siehst mein starkes Herz gebrochen, du siehst Thränen mein männliches Auge schänden – dein Wille ist geschehen, der Guttenberg ist todt! – Er sinkt schluchzend an Lorenz Brust.

LORENZ fest. Nein, Herr, der Guttenberg stirbt nie, er lebt in seiner Erfindung, und begräbt auch die undankbare Mitwelt ohne Thränen seinen Leib, die Nachwelt wird seinen Geist heraufbeschwören mit Jubel und Segensruf, und was man Euch jetzt versagt, durch ferne Jahrhunderte werdet Ihr's erndten!

GUTTENBERG sich hoch erhebend. Ja – ja, Lorenz, ich fühle es, unter heiligen Schauern zieht die Ahnung in meine Brust, ich werde nicht untergehen! Ich Thor, was klage ich denn? – Feigling, was haderst du mit Gott und Welt? – Ist nicht mein Ziel erreicht? – Wollte ich denn um meines elenden Selbsts willen das Große, das Erhabene schaffen? – Sollte es nicht zur Ehre Gottes, zum Wohl der Menschheit vollendet sein? – Begeistert. O Herr, nun verstehe ich dich, du hast mir vergönnt, das Höchste zu erreichen, dieses Bewußtsein sollte mein Lohn werden! es ist vollendet, ist gethan, und dankend sinkt dein Werkzeug in den Staub zurück, aus dem ein Strahl deines Lichtes es in's Leben rief!


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Johannes Guttenberg. Berlin 21840, S. 53-54.
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