Achte Scene

[51] Vorige. Alessandro.


ALESSANDRO. Du hast befohlen, kaiserlicher Herr!

KAISER zeigt auf den Tisch. Die Dokumente dort, sollst Du wieder in Verwahrung nehmen. Zu Nollingen. Also, mein Günther, Sonntag Morgens sei fertig, Deinen Kaiser zu geleiten dorthin, wo er mit redlichem Herzen Friede sucht und Versöhnung. Will abgehen.

ALESSANDRO geht zum Tisch, sucht und frägt, als der Kaiser aus der Thüre treten will, wo vorhin Amalgundis abging. Was soll ich in Verwahrung nehmen, hoher Herr?

KAISER ungeduldig. Die Dokumente des Thüringer Länderkaufes.

ALESSANDRO. Hier sind sie nicht.

KAISER UND NOLLINGEN. Wie?

ALESSANDRO vom Tische wegtretend. Geruhe selbst doch zu prüfen, ich kann hier nichts entdecken.[51]

KAISER vorgehend. Unmöglich! vor wenigen Minuten legte ich sie selbst dort nieder.

NOLLINGEN näher tretend. Sie müssen vorhanden seyn.

KAISER durchsucht rasch die Papiere. Nichts – beim Himmel – Nichts! wie ist das möglich?

NOLLINGEN sucht auf dem gegenüberstehenden Tische. Auch hier nichts! Unbegreiflich!

ALESSANDRO. Das ist Diebstahl, mein kaiserlicher Herr! Wer war hier?

NOLLINGEN. Unerhört – solcher Frevel sollte gewagt werden in den Gemächern Sr. kaiserlichen Majestät?

KAISER. Ich weiß nicht, was ich sagen soll? Ich verließ das Gemach nicht, seit Dominik hier war – es ist unmöglich, sage ich – kann nicht seyn. Nollingen,[52] Deinem Späherauge sei es überlassen, die Dokumente zu entdecken. Sind sie geraubt – was ich nimmer glauben will und mag – so wirst Du den Räuber entdecken und strafen.

ALESSANDRO mit einem durchbohrenden Blick auf Nollingen. Ich fürchte, mein Kaiser, der Räuber steht Dir näher, als Du glaubst.

KAISER zurückfahrend. Wage nicht zu viel auf die Gnade Deines Herrn, ich verzeihe Deinem Alter Manches, vergiß das nicht.

ALESSANDRO. Von Freundes Hand droht heute Dir ein Unheil, bedenk' es wohl!

NOLLINGEN. Was sollen die dunkeln Worte, weiser Meister? ahnet Ihr den Frevler, so nennt ihn, es ist Eure heiligste Pflicht.

KAISER. Forsche nicht, Günther, Dein redlich Herz bewahrt Dich davor, die Blicke des Argwohns zu verstehen, Zu Alessandro. komm, alter Freund, sieh nicht so finster, Du bist ja doch unser treuer Alessandro, wir wollen Dich schon wieder versöhnen, wenn wir gleich[53] nicht Alles mit Deinen Augen sehen können. Auf Wiedersehen, Günther! Ab.

NOLLINGEN finster auf Alessandro zugehend. Was soll das, Meister Alessandro?

ALESSANDRO ihn mit Bedeutung ansehend. Wenn schnöder Verrath über argloses Vertrauen triumphirt, wacht das Auge des Herrn, den Frevler zu bestrafen. – Deren denkt oft, Ritter von Nollingen, denn Euer Gestirn hat Flecken; ich fürchte, es wird sich bald gänzlich verdunken.


Folgt dem Kaiser.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Pfeffer-Rösel oder Die Frankfurter Messe im Jahr 1297. Wien 1833, S. 51-54.
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