Funfzehnte Scene

[29] Vorige. Emma.


EMMA tritt unbemerkt rechts ein und bleibt lauschend im Hintergrund stehen.

BARBARA. Was Ansichten! So ein Gewürzkrämer aus der Provinz ist doch wohl nicht solche Respekts-Person, daß man ihn erst lange demüthig bitten müßte, wenn sich's um ein unbescholtenes, braves und in Berlin gebildetes Mädchen, wie meine Emma, handelt? Uebrigens können Sie das halten, wie Sie wollen – ohne die Einwilligung kommen Sie nicht mehr in's Haus!

JULIUS ungeduldig. Aber, Herr Gott – da muß ich doch erst nach Hause reisen, und so lang' halte ich es nicht aus, ohne Emma zu sehen!

BARBARA trocken. Ist auch gar nicht von nöthen! – Sehen Sie, da stehe ich vorhin am Dönhofsplatze und handle um eine fette Ente – als eine Droschke vor das Haus Nummer 120 fährt und unter dem Gelächter aller Straßenjugend ein ellenlanger Herr in einem großen Bärenpelz herausplauzt. Alles drängt sich hinzu, ich will natürlich auch wissen, was da vorgeht, da springt ein zweiter alter Herr aus der Droschke, der ruft dem Langen zu: »Ih, Herr Krabbe, machen Sie doch, daß Sie in's Haus kommen, wir sind hier nicht zu Glognitz!« – »Ach, Herr Baron von Gleisenburg!« jammert der, »ich hab' nicht so schnelle Beine wie Sie!«[29] – Na nu, denk' ich, das ist richtig Herrn Juliussens Papa. Ich hätte ihn fast angesprochen, aber der alte Baron zog ihn so schnell in's Haus, daß ich – –

JULIUS der mit Entsetzen, fast versteinert zuhörte. Wie! Was! Für sich. Großer Gott, mein Vater, Krabbe's Vater, das ist viel auf einmal! Laut. Entschuldigen Sie, ich muß schnell zu ihm! Er rennt, ohne Emma zu bemerken, rechts ab.

BARBARA ganz versteinert. Na nu, das gestehe ich!

EMMA zitternd, fliegt auf sie zu. Mutter! Um Gottes willen, was bedeutet das – was hat er?

BARBARA die sich erholte. Vom Heirathen hat er gehört und läuft nun – so machen's alle die jungen Naschmäuler, die neumodischen Freiheitsschwindler! Große Redensarten, und wenn's zum Klappen kommt – nichts dahinter! Na warte, rother Republikaner, Du kommst mir wieder! Sie will sich zum Gehen wenden.

EMMA fällt ihr weinend um den Hals.

BARBARA. Ih pah, flenne nicht; das ganze männliche Geschlecht von heut zu Tage ist nicht werth, daß Du Dir die hübschen Augen verdirbst! Komm, hilf mir die Ente rupfen, da weiß man doch, woran man sich zu halten hat!


Emma folgt weinend.

Der Vorhang fällt.
[30]

Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Vatersorgen. Berlin 1849, S. 29-31.
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