Fünfte Scene

[39] Vorige. Julius. Baron unter der Thür rechts.


JULIUS der fortsang, bis er eintritt. Bon soir, Julius! Ah – Du hast Gesellschaft?

KRABBE giftig. Ja, zu dienen, Herr Baron! Ich habe mir die Freiheit genommen, meinem Herrn Sohn auch einmal die Aufwartung zu machen!

JULIUS KRABBE Julius zuwinkend. Mein Vater, lieber Julius, der sich so eben wunderte, den Papagei unter meinen Rechnungen zu finden, den ich neulich für Dich gekauft habe.

JULIUS etwas frappirt. Für mich? – Ach ja so – in meinem Namen – verstehe! Ja, damit hat's seine Richtigkeit.

KRABBE giebt ihm mit einem Kratzfuß die Nota. Na, denn werden der Herr Baron auch wohl die Güte haben, die Nota zu bezahlen?

JULIUS. Ich? O bitte recht sehr – ich – Julius Krabbe macht hinter Krabbe's Rücken eine flehende Bewegung. Ja so! Lustig. Geben Sie her, Herr Krabbe! Er sieht hinein, gedehnt. Sechzig Thaler?! Hm! Mit einem Blick auf Julius Krabbe. Ich will nicht hoffen, daß ich mehrere dergleichen Kleinigkeiten verschenkt habe!

BARON vortretend. Das hoff' auch ich nicht, ich müßte Dich sonst in einer Irren-Anstalt einkaufen.

JULIUS sich sehr überrascht stellend. Was, wie?! Mein Vater! An seinem Halse. Mein lieber einziger Vater! Willkommen in Berlin![39]

BARON guthmüthig, sich losmachend. Na, na, Junge, sei gescheidt, Du drückst mir ja den Brustkasten ein!

JULIUS in ausgelassener Freude. Diese Ueberraschung! Ich wollte nächste Woche zum Besuch nach Gleisenburg kommen, wollte Dir eine Menge Bitten und Wünsche an's Herz legen – und nun hab' ich Dich da! Gott, das Glück!

BARON. Bitten? Wünsche? Ich denke, ich kenne sie im Voraus. Fange nur gleich damit an. Erstens – soll ich Deine Schulden bezahlen, nicht?

JULIUS. Ih Gott bewahre – das versteht sich ja von selbst!

BARON. So? Wirklich! Hast Du denn Dein Geld zum Studium verwendet, daß Du das so ohne Weiteres annimmst?

JULIUS ernsthaft. Allerdings! Ich habe die Freiheit und Gleichheit, die deutsche Einheit und Uneinigkeit, die Menschenrechte und – –

BARON ungeduldig einfallend. Alles auf breitester Grundlage – etcetera – etcetera – studirt, ja, die Schlagwörter kenne ich; erspare mir die Litanei, ich habe mir des Unsinns genug von dem Herrn an gehört – Auf Julius Krabbe deutend. und da Ihr ein Herz und eine Seele seid, so bist Du ja doch nur sein Echo. Höre mich ruhig an. Jeder Mensch hat seine Epoche der Tollheit, die er durchrasen muß, und die man ihm verzeihen kann. Du hast Deinen Paroxismus – wie ich aus Allem hier sehe – gründlich durchtobt, nun ist's aber genug. Mit Deinen Studien bist Du fertig – morgen zahle ich Deine Schulden – und übermorgen gehst Du mit mir nach Gleisenburg, wo ich Deinen Katzenjammer getreulich abwarten werde. Da hast Du mein Ultimatum!

JULIUS sich sehr beleidigt stellend. Du sprichst mit mir wie mit einem Knaben – ich bin ein Mann geworden; ich fordere, daß Du auch meine Absichten achtest. Ich bin frei, ich habe meinen Willen – ich bin –[40]

BARON gelassen. Du bist ein Narr, der sich frei glaubt, weil er auf meinen Namen pumpen konnte, der, wenn's mit dem Pump zu Ende ist bald merken wird, daß er von so vielen Herren abhängt als ihm Thaler fehlen. Mein lieber Junge! Freiheit ohne Geld ist ein tüchtiger Hengst für einen Lahmen, er kann ihn nicht reiten; was hilft er ihm? Wer Geld hat, ist frei, wer nichts hat, bleibt abhängig, und wenn Ihr die Welt drum aus ihren Angeln reißt. –

JULIUS zieht die Achseln. Du bist ein Reactionär, Vater, man muß es Deinem beschränkten Horizont vergeben. Ich sage Dir, ich bin frei, denn ich habe gelernt, ohne Dein Geld durch die Welt zu kommen!

BARON. Freut mich außerordentlich, nur fürchte ich, wirst Du ohne mein Geld von Deiner Wissenschaft nicht ganz leben können wie ein Baron.

JULIUS ruhig. Will ich auch nicht, Papa, brauche ich gar nicht, den Baron hänge ich an den Nagel – der Adel wird ohnedem abgeschafft –

BARON fährt zurück. Was! Wer schafft ihn ab?

JULIUS mit Pathos. Ich! Wir! Das freie Volk! Der Unterschied der Stände muß abgeschafft werden; siehst Du, schon deshalb – weil es eine Ungerechtigkeit ist – wenn – zum Beispiel – man hat ja Exempel, daß – junge Leute, die sich an Bildung und Herz ganz gleich stehen, durch die ungerechten Privilegien des Standes getrennt – Er stockt abermals. na, kurz – ich habe gute Gründe dazu – der Adel genirt nur, und der Adel wird abgeschafft. Zu Julius Krabbe, der indeß eifrig mit Krabbe sprach. Nicht wahr, Julius?

JULIUS KRABBE sich rasch umwendend. Ja wohl, versteht sich, wir schaffen den Adel ab!

BARON. Ich sage Dir – Sich plötzlich fassend. na, in der Luft wird Alles verrückt, streite mich am Ende noch mit dem dummen Jungen herum über Dinge, die –[41]

JULIUS auffahrend. Papa, das ist Tusch; den dummen Jungen laß ich nicht auf mir sitzen! Ihm näher tretend. Wenn ich Dir auch als Sohn verzeihen könnte, als Soldat darf ich es nicht!

BARON ganz starr. Als Soldat? Kerl, ich breche Dir den Hals!

JULIUS ruhig. Papa, ich lasse mir den Hals nicht brechen, ich bin zum Wohl der Menschheit nöthig – ich habe mich zu den Freiwilligen nach Holstein gemeldet. Zu Julius Krabbe. Nicht wahr, Julius? Wir sind Beide angeworben?

JULIUS KRABBE sieht ihn groß an, sehr verblüfft. Ja wohl, ja, ja, Beide angeworben! –

JULIUS wie oben. Wir reisen mit dem nächsten Zug in fünf Tagen ab – nicht wahr, Julius?

JULIUS KRABBE keck. Ja – wohl – wir reisen! Alles in schönster Richtigkeit!

KRABBE fällt rechts in den Stuhl. O Du Allmächtiger!

BARON fällt links in den Stuhl. Freischärler!


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Vatersorgen. Berlin 1849, S. 39-42.
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