MEINE JÜDIN

[45] Du junge Jüdin, braune Judith, köstliche

Frucht der Erkenntnis, weißer Blütenfall:

Aus Kleidern steigst du nackt, ein All ins All,

Mit deinen Brüsten, Mythenfrau, du östliche.


Steige vom Sockel, Venus, aus zerballter

Wäsche, Jungweib! Wie Morgensonne blitzt

Dein Bauch – und in der Schenkel Schatten sitzt

Wie Blüten saugend, fest, ein schwarzer Falter.


Und Schwarzes fällt aus den gelösten Schleifen

In den konkaven Nacken, wie Geruch.

Und die zu großen, graden Zähne blecken,


Als ob sie schon in Männerküssen stäken.

Der Blick hängt glänzend über dem Versuch,

Die Lippen über das Gebiß zu streifen.

Quelle:
Paul Boldt: Junge Pferde! Junge Pferde! Olten und Freiburg im Breisgau 1979, S. 45-46.
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