Sechster Aufftritt.

Atis, Elmira, Nerill.

Atis wendet sich zu Elmira, und giebt ihr Liebes-Anzeigungen.


ELMIRA.

Verliebter Printz / ob gleich der Mund nicht spricht /

So sagt mir doch dein holdes Angesicht /

Daß deine Brust von Lieb' entzündet /

Bey mir Vergnügung findet.


Atis giebet Zeichen einer brünstigen Liebe.

Aria.


ELMIRA.

So bald dich nur mein Auge sah /

Empfand ich Liebes-Pein.

Und du desgleichen / sag mir?


Atis wincket: Ja.


Liebst auch kein' andre?


Atis wincket: Nein.


2.


Du bleibst stets in Gedancken da /

Mustu gleich ferne seyn /

So wohn ich dir im Hertzen?


Atis wincket: Ja.


Und sonst kein' andre?


Atis wincket: Nein.

Folgends wendet er sich zu Nerill, und deutet auff Elmira.


ELMIRA.

Was zeigt der Printz / geliebter Knabe?

NERILL.

Weil aus Gewohnheit ich erlernet habe

Durch Wincken zu verstehen sein Begehren

So wil er / daß ich dir sein Hertze sol erklären.


Atis macht unterschiedliche Bewegungen auf die Masse folgender Aria, welche indessen gespielet wird.


ELMIRA.

Was hastu jetzt gesehn?

NERILL.

So ist es zu verstehn.


Aria.


Durch der Haare güldne Stricke

Ist ans Hertz ein Band gelegt /

Durch der Augen holde Blicke

Ist die Brust in Feur erregt /

Dennoch leb ich höchst vergnügt /

Und begehre kein Erretten

Aus den güldnen Band' und Ketten /

Dran mein Hertz in Flammen liegt.


Atis bekräfftiget dieses mit Gebärden.


ELMIRA.

Die dich bestrickt /

Ist selbst nicht frey /

Und hält sich höchst beglückt

In ihrer Sclaverey.


Quelle:
Reinhard Keiser: Der hochmütige, gestürzte und wieder erhabene Croesus. Hamburg [1711], unpaginiert.
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