Die 15. Historie sagt, wie Ulenspiegel sich für ein Artzet ußgab und des Bischoffs von Megdburg Doctor artzneiete, der von ihm betrogen ward.

[43] Zu Megdburg was ein Bischoff, der hieß Bruno, was ein Graffe zu Querfurt. Der hort die Anschläg von Ulenspiegel unnd ließe ihn forderen zu dem Greuenstein. Und dem[44] Bischoff gefiel Ulenspiegels Schwänck gantz wol unnd gab ihm Cleider und Gelt. Und die Diener mochten ihn vast wol leiden und triben vil Schimpffs mit ihm. Also het der Bischoff ein Docter bei ihm, der dücht sich gar gelert und weiß, daz ihm des Bischoffs Hoffgesind nit günstig waz. Unnd derselb Doctor het ein Weiß an ihm, daz er nit gern Doren umb sich leiden mocht. Also sprach der Docter zum Bischoff und zu seinen Räten: »Man solt weiß Lüt an der Heren Hoff halten und nit solich Narren uffhalten durch mancherlei Ursach willen.« Die Ritter und daz Hoffgesind sprachen darzu, daz wär gar nitt ein rechte Meinung von dem Doctor. Wer sein Thorheit nit hon möcht, der kunt wol von ihm gon, es wär doch nieman zu ihm gezwungen. Der Doctor sprach darwider: »Nar bei Narren und Weiß bei Weissen. Hätten die Fürsten weiß Lüt bei ihn, so war ihn vor die Weißheit, und so sie Narren bei ihn halten, so lernen sie Narrei.« Da sprachen etlich: »Wer seint die Weisen, die sich beduncken, sie seint weiß? Man find ihr wol, die von Narren seint betrogen worden. Es zem Herren und Fürsten wol und solten allerlei Volcks an ihrem Hoff halten. Wann mit Thoren vertreiben sie mancherlei Fantasei, und wa die Heren seint, da wollen die Narren gern sein.« Also kamen die Hoflüt zu Ulenspiegel und legten mit ihm an solich Anschläg und hatten ihn, daz er ein Sinn erdächt. Sie wolten ihm darzu helffen, desgleichen der Bischoff, daz der Docter bezalt würt seiner Weißheit, als er dann gehört hat. Ulenspiegel sprach: »Ja, Ihr Edlen und Reiter, wöllen Ihr mir darzu helffen, der Docter sol bezalt werden.« Sie wurden der Sachen eins.

Also zoche Ulenspiegel vier Wochen über Feld von dannen und bedacht sich, wie er mit dem Doctor wolt leben.[45] Also waz er bald bedacht und kam wider zu Genenckenstein und verkleit sich und gab sich uß für ein Artzt, wann der Doctor bei dem Bischoff waz offt siech im Leib und thet vil Artzni darzu. Da sagten die Rüter dem Doctor, wie daz ein Doctor in der Artznei war kumen. Der Doctor kant Ulenspiegel nit und gieng zu ihm in sein Herberg, und nach wenig Reden er nam ihn mitt ihm uff die Burg. Und kamen miteinander zu Worten und sprach der Doctor zum Artzt, kunt er ihm helffen von der Kranckheit, er wolte ihm wol lonen. Ulenspiegel antwurt ihm mit Worten, als die Ärtzet dann pflegen, und gab ihm für, wie daz er ein Nacht bei ihm ligen müst, uff daz er dester baß mercken möcht, warauff er genaturt war. »Wann ich wolt Euch gern etwaz geben, ee das Ihr schlaffen giengen, daz Ihr davon schwitzten.« Und im Schweiß wolt er mercken, waz sein Gebresten wär. Der Doctor ließ ihm sagen und meint aller wars und gieng mit Ulenspiegel zu Bet und meint nit anders, dann waz ihm Ulenspiegel sagt, es wär war. Also gab Ulenspiegel dem Doctor ein scharpffe Purgation. Und der Doctor meint, er solt davon schwitzen und wißt nit, daz es ein scharpffe Purgatz waz. Ulenspiegel uberkam ein holen Stein und thet ein Huffen seines Kotz darein und legt den holen Stein mit dem Treck zwischen die Wand und dem Doctor uff das Betbret. Und der Doctor lag der nächsten an der Wand, und Ulenspiegel lag fornen an dem Beth. So lag der Doctor und het sich gen die Wand gekert. Da stancke ihm der Treck under Augen, der in dem holen Stein lag, das er sich umb must keren gegen Ulenspiegeln. Unnd sobald sich der Doctor also zu Ulenspiegel kert, so ließ er ein stilschweigenden Furtz, daz er zumal ubel stanck. Da kert sich der Docter wider hinum, so stanck dann der Treck im holen Stein ihn wider an. Daz tet er dem Docter schier die halb Nacht. Darnach kam und treib die Purgatz scharpff, schnel[46] und starck, daz sich der Docter gantz unrein macht und stanck fast übel. Da sprach Ulenspiegel zum Docter: »Wie nun, wirdiger Docter, Euwer Schweiß hat lang ubel gstuncken. Wie ist ihm, daz Ihr solichen Schweiß schwitzen. Es stinckt zumal ubel.«

Der Docter lag und gdacht, daz schmack ich wol, und waz des Geschmacks also vol worden, daz er kum reden kunt. Ulenspiegel sprach: »Ligen nur stil. Ich wil gon, ein Liecht holen, daz ich sehen kan, wie es ein Gstalt umb Euch sei.« Indem als sich Ulenspiegel uffricht, da ließ er noch ein starcken Scheis schleichen und sprach: »O we, mir würt auch schwach, daz hab ich von Euwer Kranckheit uberkumen.« Der Docter lag und waz so kranck, daz er sein Houpt kum uff kunt richten, und danckt Got, daz der Artzt von ihm kam. Da uberkam er ein wenig Lufft, dann wan der Docter in der Nacht uff wolt ston, so hielt ihn Ulenspiegel, daz er nit uff mocht kumen, und sprach, er solt vor gnug schwitzen, da nun Ulenspiegel uffgestund und gieng von der Kamern und lieff hinweg, indem da ward es Tag. Da sahe der Docter den holen Stein an der Wand ston mit dem Treck. Und er waz so kranck, daz sein Anlit von Gestanck besudlet waz.

Also die Reiter und Hoflüt namen des Docters war und botten ihm ein gutten Morgen. Der Docter ret schwächlichen und kunt ihn nit wol antwurten und legt sich in den Sal uff ein Banck uff ein Küssen. Da holten die Hoflüt den Bischoff darzu und fragten ihn, wie es ihm gangen war mit dem Artzet. Der Doctor sprach: »Ich bin überladen gewesen mit einem Schalck. Ich wont, es wär ein Doctor in der Artznei, so ist es ein Doctor in der Leckerei«, und sagt es ihn gantz, wie es ihm gangen wee. Da ward der Bischoff und alle Hoflüt ser lachen und sprachen: »Es ist gantz geschehen nach Euwern Worten. Ihr sagten nun, man solt[47] sich nit mit Narren bekümeren, wann der Weiß würd dorecht bei Thoren. Aber Ihr sehent, daz einer wol durch Narren weiß würt gemacht, dann der Artzet ist Ulenspiegel gewesen, den hon Ihr nit kant und hon ihm geglaubt. Von dem seind Ihr betrogen worden. Aber wir, die sein Narrei annamen, kanten ihn wol. Aber wir wolten Euch nit warnen, nachdem und als Ihr so weiß wolten sein. Und niemant ist so weiß, er sol Thoren auch kennen. Unnd wann niendert kein Nar wär, wabei wolt man dann die Weisen kennen.« Also schweig der Doctor still und clagt nim.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 43-48.
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