Die 27. Histori sagt, wie Ulenspiegel den Landgroffen von Hessen malet und ihm weißmacht, wer unelich wär, der künt es nit sehen.

[76] Abentürliche Ding trib Ulenspiegel in dem Land zu Hessen. Da er daz Land zu Sachsen fast umb und umb gwandert hat und fast wol bekant waz, daz er sich mit seiner Büberei nit wol ußbringen mocht. Da thet er sich in des Land zu Hessen und kam gen Marckburg an des Landgraffen Hoff.[77] Und der Her fragt, waz er künt. Er antwurt und sprach: »Genädiger Her, ich bin ein Künstner.« Des fröwd sich der Landgraff, dan er meint, er war ein Artist und künt mit der Archam, dann der Landgraff het groß Arbeit mit der Archamei. Also fragt er, ob er ein Archamist wär. Ulenspiegel sprach: »Genädiger Her, nein. Ich bin ein Maler, desgleichen in vil Landen nit funden würt, da mein Arbeit übertrifft ander Arbeit weit.« Der Landgraff sprach: »Laß uns etwaz sehen.« Ulenspiegel sprach: »Gnädiger Her, ja«, und het etlich Tüchlin unnd Kunststück, die er in Flandern koufft het. Die zoch er herfür uß seinem Sack und zeigt die dem Graffen. Die gefielen dem Herren so wol und sprach zu ihm: »Lieber Meister, waz wöllen Ihr nemen und wollen unß unsern Sal malen, von dem Herkumen der Landgraffen von Hessen und wie die befründet haben mit dem Künig von Ungeren und andern Fürsten und Herren, und wie lang daz gestanden hat. Und wollen unß daz uff daz allerköstlichest machen.« Ulenspiegel antwurt: »Genädiger Herr, also mir Euwer Genad das fürgibt, würt wol vierhundert Gulden kosten.« Der Landgroff sprach: »Meister, machen uns das nur gut, wir wollen Euch das wol belonnen.«

Ulenspiegel nam das also an, doch so müst ihm der Lantgroff hundert Guldin daruff geben, damitt er Farben kouffte und Gesellen uberkam. Als aber Ulenspiegel mit dreien Gesellen wil die Arbeit anfahen, so dingt er dem Landgraffen an, das niemant solt in den Sal gon, dieweil er arbeitet, dan allein sein Gesellen, damitt er inn seiner Kunst nit verhindert würt. Daz verwilliget ihm der Lantgraff.

Also ward Ulenspiegel mit seinen Gsellen eins und uberleget mit ihnen, daz sie stillschwigen und ließen ihn machen. Sie dorfften nit arbeiten und solten dannocht ihren Lon[78] haben, und ihr gröste Arbeit solt sein im Bretspilen. Daz namen die Gesellen an, das sie mit Müssiggon gleichwol solten Lon verdienen.

Daz wärt also ein Woch oder vier, daz den Lantgraffen verlangt, waz doch der Meister mit seinen Cumpanien mochte malen, ob es doch so gut wolt werden als die Prob, und sprach Ulenspiegeln an: »Ach, lieber Mester, uns verlanget gar ser, zu sehen Euwer Arbeit. Wir begeren mit Euch mögen gon in den Sal und Euwer Gemälts zu besehen.« Ulenspiegel sprach: »Ja, gnädiger Herr, aber einerlei wil ich Ewern Gnaden sagen, wer mit Euwern Gnaden geet und daz Gemäldt beschauwt, wer dann nit recht eelich geboren ist, der mag mein Gemalt nit wol sehen.« Der Landtgraff sprach: »Meister, daz wär großes.«

Indem giengen sie in den Sal. Da het Ulenspiegel ein lang leinin Tuch an die Wand hingespant, da er malen solt, und da zoch Ulenspiegel daz ein wenig hinder sich und zeugt mit einem weissen Stäblin an die Wand und sprach also: »Sehen gnädiger Herr, diser Man, daz ist der erste Landtgraff von Hessen und ein Columneser von Rom geweßen unnd hatt zu einer Fürstin und Frauwen gehabt des milten Justinians Tochter, einer Hertzogin vonn Bayern, der nun darnach Keiser ward. Sehent, gnädiger Herr, vonn dem da ward geboren Adolffus; Adolffus, der gebar Wilhelm den Schwartzen. Wilhelm gebar Ludwigen, den Frumen. Und also fürhin biß uff Ewer fürstliche Gnad. Also weiß ich daz fürwar, daz niemans mein Arbeit straffen kan, so künstlich und auch so von schonen Farben.« Der Lantgraff sach anders nüt dann die weiß Wand und gedacht in ihm selber: »Solt ich ummer ein Hurenkind sein, so sihe ich doch anders nüt dann ein weisse Wand.« Jedoch sprach er (umb Glimpffs willen): »Lieber Meister, uns benügt wol, doch hon wir sein nit gnug Verstant zu erkennen«, und gieng damit uß dem Sal.[79]

Da nun der Lantgraff zu der Fürstin kam, da fragt sie ihn: »Ach, gnädiger Herr, waz malet doch Euwer freier Maler. Ihr hon es besehen, wie gefalt Euch sein Arbeit? Ich hon schwachen Glauben darzu, er sieht wie ein Schalck.« Der Fürst sprach: »Liebe Fraw, mir gefalt sein Arbeit süberlich wol und thut ihm noch recht.« »Gnädiger Herr«, sprach sie, »müßen wir es nit auch besehen?« »Ja, mit des Meisters Willen.«

Sie ließ Ulenspiegel fordern und begert auch zu sehen daz Gemalte. Ulenspiegel sprach zu ihr wie zu dem Fürsten, wer nit eelich wär, der künd sein Arbeit nit sehen. Da gieng sie mitt acht Junckfrawen und einer Thörin in den Sal. Da zoch Ulenspiegel das Thuch aber hinder sich wie vor unnd erzalte da der Graffin auch das Herkummen der Lantgraffen, je ein Stück nach dem andern. Aber die Fürstin und Junckfrauwen schwigen alle stil, niemant lobt oder schalt das Gemält. Ihr jetlicher was leidt, das ihr unrecht was, von Vatter oder von Muter her, und zu dem letsten, da hub die Thörin an und sprach: »Liebster Meister, nun sih ich nüt von Gemalt, und solt ich all mein Lebtag ein Hurenkint sein.« Da gedacht Ulenspiegel: »Daz wil nit gut werden, wollen die Thoren die Warheit sagen, so mus ich warlich wandern«, und zoch daz in ein Gelächter.

Indem gieng die Fürstin hinweg wider zu ihrem Herren. Der fragt sie, wie ihr daz Gemält gefiel. Sie antwurt ihm und sprach: »Gnädiger Her, es gefält mir als wol als Euwern Gnaden. Aber unser Törin gefalt es nit; sie spricht, sie seh kein Gemalt. Desgleichen auch unser Junckfrawen, und besorg, es sei Büberei in der Sach.« Daz gieng dem Fürsten zu Hertzen und gedacht, ob er schon betrogen wär, ließ doch Ulenspiegel sagen, daz er sein Sach schickt. Daz gantz Hoffgesind müst sein Arbeit besehen, und der Fürst meint, er wolt sehen, welcher eelich oder uneelich under seiner Ritterschafft wär. Die Lehen wären ihm verfallen.[80]

Da gieng Ulenspiegel zu seinen Gesellen und gab ihn Urloub und fordert noch hundert Gulden von dem Rentmeister und empfieng die und gieng indem darvon. Des andern Tags fragt der Graff nach seinem Maler, der waz hinweg. Da gieng der Fürst des andern Tags in den Sal mit allem seinem Hoffgesint, ob jemans etwaz Gemälts sehen kunt. Aber nieman künt sagen, der etwaz sähe. Und da sie all schwigen, da sprach der Landgraff: »Nun sehen wir wol, daz wir betrogen seint, und mit Ulenspiegel hon ich mich nie bekümern wollen. Noch dann ist er zu uns kumen. Doch die zweihundert Gulden wollen wir wol verdulden, so er dennocht ein Schalck mus bleiben und muß darumb unser Fürstenthom meiden.« Also waz Ulenspiegel von Marckburg hinwegkumen und wolt sich fürter Molens nit mer annemen.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 76-81.
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