Die 35. Histori sagt, wie Ulenspiegel die Juden zu Franckford an dem Mey betrog umb tusent Gulden. Er verkouft ihn seins Trecks für Prophetenbeer.

[103] Nieman sol sich betrüben, daz dem schalckhafftigen Juden ein Oug verhalten würt. Als dan Ulenspiegel von Rom kam, reißt er geen Franckfürd an dem Meyn. Da was es in[104] der Meß. Also gieng Ulenspiegel hin und her unnd sahe, was Kouffmanschatz ein jederman feil hett. Nun sahe er ein jungen starcken Man, der het gute Cleider an unnd het ein klein Krämlin mitt Bißem uß Allaxandria, den er us der Massen deuwr hielt. Da gedacht Ulenspiegel: »Ich bin auch ein fauler starcker Schelm, der nit gern werckt. Kund ich mich auch so leichtlich ernären als diser, daz diente mir gantz wol.« Also lag er des Nachts ungeschlaffen und gedacht und speculiert die Narung. Indem so biß ihn ein Floch im Hindern, nach dem grappelt er endlichen, da fand er etliche Knötlin im Hindern. Da gedacht er, daz muß der Gropen eine sein, den man sagt Lexulvander, da der Bisem herkumpt. Als er nun des Morgens uffstund, da kaufft er growen und roten Zendel und band die Knötlin darein. Und uberkam ein Bäncklin und kaufft mer Specerei dazu und gieng mit seinem Krom für den Römer ston. Da kamen vil Lüt zu ihm und besahen seinen seltzamen Krom und fragten da ihn, waz er Seltzams feil hät, dann es waz ein seltzam Kauffmanschatz. Es waz in Bündlin gebunden wie Bißam und roch da seltzam. Aber Ulenspiegel gab niemant rechten Bescheid von seiner Kauffmanschafft, so lang bis das drei reiche Juden zu ihm kamen und fragten nach seiner War. Den gab er zu Antwurt, es wären wäre Prophetenbeer, und wer derselben eins in den Mund näm und darnach in die Nasen steckt, der sagte von Stund an war. Also giengen die Juden hinder sich und ratschlagten ein Weil. Zuletst sprach der alt Jud: »Hievon so möchten wir wol weissagen, wann unser Messias kummen solt, das uns Juden nit ein cleiner Trost wär, und beschlussen, daz sie[105] die War alle uffkauffen wolten, was sie dann darfür müsten geben.« Und also giengen sie daruff wider zu Ulenspiegeln und sprachen: »Kauffher, was sol der Prophetenbeer eins gelten, mit einem Wort.« Ulenspiegel bedachte sich in kurtzem und sprach: »Fürwar, als ich War hab, also beschert mir unser Herrgot Kauflüt, den Juden dienet dise Kost wol«, und sprach: »Ich gib eines für hundert Guldin, wan Ihr die nit geben wöllen (Ihr Hund), so gon nur hinweg und lon mir den Treck ston.« Uff daz sie Ulenspiegeln nit erzürnten und sein War möchten uberkummen, da zalten sie ihm bald das Gelt und namen der Beer eins und giengen endlich zu Huß und lieffen, zu Schul klopffen allen Juden alt und jung. Da sie nun zusamenkamen, da stunde uff der ältste Rabi, genant Alpha, und sprach, wie sie durch den Willen Gottes ein Prophetenbeer uberkummen hätten, das solt ihren einer in den Mund nemen und so solt er die Zukunfft Messias verkünden, uff das ihn Heil und Trost davon käm. So solten sie sich all darzu schicken mit Fasten und Betten. Und nach dreien Tagen solte das Isaac mit grosser Reverentz einnemen, das also gschach.

Als nun einer das im Mund het, da fraget ihn Moyses: »Lieber Isaac, wie schmeckt es doch?« »Gottes Diener, wir seind von dem Gecken betrogen, es ist anders nüt dann Leutztreck.« Also schmeckten sie all an das Prophetenbeer so lang, bis sie sahen das Holtz, daruff die Beer wachßen solten. Und Ulenspiegel was hinweg und schlempte redlich, dieweil der Juden Gelt wärte.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 103-106.
Lizenz:
Kategorien: