Die 61. Histori sagt, wie Ulenspiegel zu Erdfurt ein Metziger noch umb ein Braten betrog.

[172] Uber acht Tag kam Ulenspiegel wider under die Fleischbänck. Da sprach derselbig Metziger Ulenspiegel wider an mit Speiworten: »Kum wider her und hol einen Braten.« Ulenspiegel sagt ja und wolt nach dem Braten datschen. Da was der Meister endlich und nam den Braten bald zu ihm. Ulenspiegel sprach: »Beiten, lassen den Braten ligen, ich[173] wil ihn bezalen.« Der Metziger legt den Braten wider uff den Banck. Da sprach Ulenspiegel wider zu ihm: »Ist es, das ich dir ein Wort sag, daz dir zu Guttem kumen würt, sol der Braten mein sein?« Der Metziger sagt: »Ja, du möchst mir soliche Wordt sagen, die mir nit nütz wären, aber du möchest auch Wort sagen, die mir wol kämen und woltest den Braten hinwegnemen.« Ulenspiegel sprach: »Ich wil den Braten nit anrüren, mein Wort sollen dir schmecken!« und sprach fürter: »Ich sprach diß: ›Woluff, her, Seckel, unnd bezal die Leüt!‹ Wie gefält dir das, schmeckt dir daz nit?« Da sagt der Metziger: »Die Wort gefallen mir wol, darumb schmecken sie mich wol an.« Da sprach Ulenspiegel zu denen, die umbherstunden: »Lieben Fründ, das hören ihr wol, so ist der Braten mein.« Also nam Ulenspiegel den Braten und gieng damit hinweg und sagt zu dem Metziger mit Spot: »Nun hab ich aber einen Braten geholt, als du mich ansprachest.« Der Metziger stund und wüßt nit, was er daruff antwurten solt, und das er zwüret genart was und uberkam den Spot zu seinem Schaden von seinen Nachburen, die bei ihm stunden, die sein darzu lachten.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 172-174.
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