Die 74. Historie sagt, wie Ulenspiegel sich zu Hamburg zu einem Barbierer verdingt und dem Meister durch die Fenster in die Stub gieng etc.

[213] Einsmals da kam Ulenspiegel gen Hamburg und kam uff den Hopffenmarckt und stund und sah sich umb. So kumpt gon ein Bartscherer, der fragt ihn, wa er harkäm. Ulenspiegel sagt: »Ich küm da einhar.« Der Meister fragt ihn: »Was bist du für ein Handtwerckßknecht?« Ulenspiegel sagt: »Ich bin ein Barbierer, mit kurtzem gesagt.« Der Meister[214] dingt ihn. Und derselbig Bartscherer wont uff dem Hopffenmarckt gleich dargegenuber, da sie stunden. Und das Huß het hohe Fenster gegen der Strassen, da die Stuben was. Da sagt der Meister zu Ulenspiegel: »Sich das Huß dargegenuber, da die hohen Fenster seind, da gang ein, ich wil gleich nach inkummen.« Ulenspiegel sagt ja und get recht zu dem Hauß hin durch die hohen Fenster hinein und sagt: »Got Eer, Got grüß daz Hantwerck.« Die Fraw des Bartscherers saß in der Stuben und span. Die erschrack allzemal und sprach damit: »Sich, fiert dich der Tüffel nit, kumest du in die Fenster? Ist dir das Thor nit weit genug?« Ulenspiegel sprach: »Liebe Fraw, zürnen nit, Euwer Haußwirt hat mich das geheissen und hat mich gedingt für einen Knecht.« Die Fraw sprach: »Das ist mir ein getruwer Knecht, der seinem Meister Schaden thut.« Ulenspiegel sprach: »Liebe Frauw, sol nit ein Knecht thun als ihn sein Meister heisset?« Mit dem kumpt der Meister und hort und sach den Handel, als Ulenspiegel begangen het. Da sprach der Meister: »Wie, Knecht, kunst du nit zu der Thür eingon und hätst mir meine Fenster gantz gelassen? Waz Ursach hast du doch hie in gehabt, das du mir bist durch die Fenster hareinkummen?« »Lieber Meister, Ihr hiessen mich, da die hohen Fenster sein, da solt ich eingon, Ihr wolten bald nachkummen. So hab ich nach Euwerm Heissen gethon, und Ihr seind mir da nit nachkommen, als Ihr sagten, das ich vorhin solt gon.« Der Meister, der schwig stil, wann er dorfft sein, und gedacht: »Wan ich das Mein bessern kan, so wil ich das wol mit ihm finden und ihm das abrechen an seinem Lon.« Also ließ der Meister Ulenspiegeln arbeiten ein Tag oder drei. Da hieß der Meister Ulenspiegeln die Schermesser schleiffen. Ulenspiegel sprach: »Ja, gern.« Der Meister sagt: »Schleiff sie glat uß dem Rücken[215] gleich der Schneiden.« Ulenspiegel sagt ja und begund ze schleiffen den Schermessern die Rücken gleich als die Schneide. Der Meister kam und wolt zusehen, waz er daruß macht. So sah er, das die Messer, die er geschliffen het, der Rück was als die Schneid, und die Messer, die er uff dem Schleiffstein het, die schliff er auch darnach. Da sagt der Meister: »Wie machst du das, das würt böß Ding.« Ulenspiegel sagt: »Wie solt das böß Ding werden, ihn ist doch nit wee, dann ich thu, als Ihr mich geheissen haben.« Der Meister warde zornig und sagt: »Ich hieß dich, das du ein böß verheit Schalck bist, hör uff und laß dein Schleiffen! Und gang wider hin, da du har bist kummen!« Ulenspiegel sagt ja und gieng in die Stuben und sprang zu dem Fenster wider hinuß, da er hineinkummen was. Da ward der Bartscherer noch zorniger und lieff ihm nach mit dem Bittel und wolt ihn fahen, das er ihm die Fenster bezalt, die er ihm zerbrochen het. Aber Ulenspiegel was endlich und kam in ein Schiff und von Land.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 213-216.
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