Die 92. Histori sagt, wie Ulenspiegel sein Testament macht, darin der Pfaff sein Händ bescheiß.

[259] Mercken geistlich und weltliche Persone, daz Ihr Euwer Händ nit verunreingen an Testamenten, als Ulenspiegels Testament gescha.

Ein Pfaff ward Ulenspiegeln zugebracht, das er ihm beichten solt. Als nun der Pfaff zu ihm kam, da gedacht der Pfaff in ihm: »Er ist ein abentürlich Mensch gewesen, damit hat er vil Gelts zusamenbracht; es kan nit felen, er mus ein mercklich Sum Gelts haben, daz solst du ihm abziehen in seinen letsten End, villeicht würt dir auch etwas darvon.« Als nun Ulenspiegel dem Pfaffen begunt zu beichten und kamen zu Worten, under anderm sprach der Pfaff zu ihm: »Ulenspiegel, mein lieber Sun, bedencken Üwer Sele Seligkeit in Euwerm End. Ihr seint ein abentürlich Gesel gewesen und haben vil Sünd getriben, das lassen Uch leid sein und haben Ihr etwaz von Gelts, ich wolt daz wol geben in die Eer Gots und armen Priestern als ich bin. Daz wil ich Euch raten, wan es ist gar wunderlich gewunen, und wan Ihr dan solich thun wellen, daz Ihr mir daz offenbaren und geben mir solich Gelt, ich wolt daz bestellen, daz Ihr sollen in Eer Gots kumen. Und wolten Ihr mir auch etwas geben, so wolt ich Euwer alle mein Lebtag gedencken und nachlessen Vigilien und Seelmessen.« Ulenspiegel sagt: »Ja, mein Lieber, ich wil Euwer gedencken und kumen nach Mittag wider, ich wil Euch selber in die Hand geben ein Stück Golts, so seint Ihr gewiß.« Der Pfaff ward fro und kam nach Mittag wider lauffen. Und dieweil daz er uß waz, da het Ulenspiegel ein Kanten, die thet er halber vol Menschendrecks und zettelt ein wenig Gelt daruff, so daz daz Gelt den Treck bedeckt.[260]

Als nun der Pfaff widerkam, sprach er: »Mein lieber Ulenspiegel, ich bin hie, wöllen Ihr mir nun etwas geben, als Ihr mir gelopt haben, das wil ich entpfahen.« Ulenspiegel sagt: »Ja, lieber Her, wan ihr nun züchtig wölten greiffen und nit geitig wolten sein, so wolt ich Euch lassen greiffen einen Griff uß diser Kanen, da sollen Ihr mein gedencken.« Der Pfaff sprach: »Ich wils thun nach Euwerm Willen und greiffen darin als ich uff daz gnawest kan.« Also thet Ulenspiegel die Kanten uff und sagt: »Seh hin, lieber Her, die Kan ist gar vol Gelt, da tasten in unnd langen daruß ein Handvol und greiffen doch nit zu dieff.« Der Pfaff sagt ja, und ihm ward so ernst, und die Geitikeit bedrog ihn, und er grif mit der Hand in die Kan und meint, ein gut Handvol zu greiffen, und schlug die Händ in die Kant. Da befand er, das es naß und weich under dem Gelt was. Da zuckt er die Hand wider zu ihm. Da waren ihm die Knittel besudelt in dem Treck. Da sprach der Pfaff zu ihm: »O wie ein vorteiliger Schalk bist du. Betrügst du mich in deinem letzten End, da du in deinem Todbet leist, so dürffen dieginnen nit klagen, die du betrogen hast in deinen jungen Tagen.« Ulenspiegel sagt: »Lieber Her, ich warnet Euch, Ihr solten nit zu dief greiffen. Bedrügt Euch nun Euwer Begierigkeit und thun uber mein Warnung, daz ist mein Schuldt nit.« Der Pfaff sprach: »Du bist ein Schalck ob allen Schälcken ußgelesen. Kanst du dich von Lübick von dem Galgen reden, du antwurst auch wol mir wider«, und gieng und ließ Ulenspiegel ligen. Ulenspiegel riefft ihm nach, das er beitten solt und das Gelt mit ihm nem. Der Pfaff wolt nit hören.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 259-261.
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