Vorrede des Verfassers

[71] Obschon ich die Vorreden sonst hasse, muß ich doch ein Wörtchen zum voraus sagen, ehe ich diese Blätter, weiß noch selbst nicht mit was vor Zeug überschmiere. Was mich dazu bewogen? Eitelkeit? – Freylich! – Einmal ist die Schreibsucht da. Ich möchte aus meinen Papieren, von denen ich viele mit Eckel ansehe, einen Auszug machen. Ich möchte meine Lebenstage durchwandern, und das Merkwürdigste in dieser Erzählung aufbehalten. Ist's Hochmuth, Eigenliebe? Freylich! Und doch müßt' ich mich sehr mißkennen, wenn ich nicht auch andere Gründe hätte. Erstlich das Lob meines guten Gottes, meines liebreichen Schöpfers, meines beßten Vaters, dessen Kind und Geschöpf ich eben so wohl bin als Salomon und Alexander. Zweytens meiner Kinder wegen. Ich hätte schon oft weiß nicht was darum gegeben, wenn ich so eine Historie meines sel. Vaters, eine Geschichte seines Herzens und seines Lebens gehabt hätte. Nun, vielleicht kann's meinen Kindern auch so gehen, und dieses Büchlein ihnen so viel nützen, als wenn ich die wenige daran verwandte Zeit mit meiner gewohnten Arbeit zugebracht hätte. Und wenn auch nicht, so macht's doch mir eine unschuldige Freude, und[71] ausserordentliche Lust, so wieder einmal mein Leben zu durchgehen. Nicht daß ich denke, daß mein Schicksal für andre etwas seltenes und wunderbares enthalte, oder ich gar ein besondrer Liebling des Himmels sey. Doch wenn ich auch das glaubte – wär's Sünde? Ich denke wieder Nein! Mir ist freylich meine Geschichte sonderbar genug; und vortrefflich zufrieden bin ich, wie mich die ewig weise Vorsehung bis auf diese Stunde zu leiten für gut fand. Mit welcher Wonne kehr' ich besonders in die Tage meiner Jugend zurück, und betrachte jeden Schritt, den ich damals und seither in der Welt gethan. Freylich, wo ich stolperte – bey meinen mannigfachen Vergebungen – o da schauert's mir – und vielleicht nur allzugeschwind werd' ich über diese wegeilen. Doch, wem wurd's frommen, wenn ich alle meine Schulden herzählen wollte – da ich hoffe, mein barmherziger Vater und mein göttlicher Erlöser haben sie, meiner ernstlichen Reue wegen, huldreich durchgestrichen. O mein Herz brennt schon zum Voraus in inniger Anbetung, wenn ich mich gewisser Standpunkte erinnere, wo ich vormals die Hand von oben nicht sah, die ich nachwärts so deutlich erkannte und fühlte. Nun, Kinder! Freunde! Geliebte! Prüfet alles, und das Gute behaltet.[72]

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 1, Basel 1945, S. 71-73.
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