Die beiden Veroneser

[341] Das ist mir ein wohlgemachtes Stück, aber ich zähl es mir doch nicht unter die besten, aber unter die mittlern. Proteus hat mich böse gemacht, ich hätt ihm Hundsfott gesagt, wenn ers mir so gemacht hätte; nein, ich hätt ihn gar beim Kopf genommen, wenn er mir bei einer solchen Silvia ins Gehege kommen wäre. Doch Valentin dünkt mir auch ein Tor, daß er sein größtes Geheimnis seinem Freund offenbarte, der in diesem Fall noch keine Probe gehalten: ich meinte doch, wenn einer von Jugend auf mit einem Freund umgeht, sollte einen besser kennen, ob er imstand wäre, in diesem Fall zum Verräter zu werden. – Doch was tut die Liebe nicht – schon vor manch hundert Jahren hats geheißen, Wein und Weiber betören die Weisen. Der Herzog hat recht gehandelt – ich tät es auch nicht – nein, um alle Welt nicht, eine Tochter ließ ich mir nicht so leicht wegstehlen – und doch hätt ichs auch getan, wär ich Valentin gewesen.

Aber Julie, die arme Julie! Nein, Valentins Verbannung hat mein Mitleid nicht so rege gemacht als Julies Schicksal – nein, das ist zu viel für ein Frauenzimmer: so standhaft lieben, einen Untreuen, Meineiden lieben und von seiner Untreu Augenzeuge sein; nein, so ein Weibsbild gibts nicht in der Welt. Doch ich will das[341] schöne Geschlecht nicht tuschieren, vielleicht gibts noch viele solche; aber man sollte sie zu Rittern schlagen, ein Ordenszeichen umhängen, daß man sie kennte. Lucette, du bist viel mehr Weib als Julie, und doch hast du Männerverstand, fast gar die Gabe zu weissagen. Zum Mitleid bewegend ist die Räuberbande gemalt. O, wie mancher ist schon von seinen Nebendgeschöpfen fast gezwungen worden, ein Bösewicht zu sein. Ja, meine zwei Hauptmänner sind noch dahinten, und die sind Skeed und Lanz. Mich nimmt wunder, lieber Sir William, wie du hast können zwei solche Kerls so meisterhaft zeichnen. Nimm mirs nicht übel, lieber Sir, wenn ich auf den Grund komme; es heißt, je fäuler Studenten, je besser Herren. Du mußt mir auch ein rechter Bube gewesen sein; man sollte dich nur so von zehn bis in die zwanzig gekannt haben – o ich weiß es gar zu wohl, die Sprünge gehn eim nicht so leicht vom Hirn weg. Ja, ja, Skeed, ja, Lanz, ihr seid wackere Kerls; ich wette zehn gegen eins, wo ihr auf der Bühne nicht mehr Beifall findet als euere Herren, und wenn ihr nicht gescheiter sind als sie, so will ich Hans heißen. Spotte nur nicht, lieber Autor, über Lanzens Freierei, über sein braunes Baurenmägdchen – melchen ist so gut eine Tugend als sticken und nähen – und der üble Atem ist von einer Stadtnymphe entlehnt; Lanz wirds besser riechen, er ist kein Narr nicht. Lieber Lanz, du magst wohl ein bischen ein ungehobelter Burscht gewesen sein, aber ich weiß doch, daß du feiner sein könntest, wann du nicht sähest, daß du deine Zuschauer belustigst. Aber wann dich irgend ein Junker agiert, ha,[342] dann gibts ein läppischer Auftritt. Man lacht über dich, wann du so in allem Ernst mit deinem Hund Krab sprichst – aber lache du auch, wann ein Pastor ganze Stunden mit seinem Schatten spricht, ein Philosoph mit seiner Katze, ein Doktor mit seiner Salbbüchse – lache auch, ich will dir helfen. Meiner Treu, du und Skeed sind zwei brave Kerls. Wenn euere Herren sonst nichts verschuldt haben, als daß sie euch prügelten, so ist ihre Widerwärtigkeit verdient. Aber so spitzfindig seid ihr nicht, man tut euch unrecht-geradezu, wies im Busen steckt – das laß ich gelten – aber so Wortklauber, nein – und doch hab ich so Junkerdiener gekannt, die ein jedes Wort im Mund verdrehen konnten. Gut, ihr sind meisterhaft gezeichnet – Skeeds Gespräch mit seinem Herren, wegen Silvia, und Lanzens mit seinem Schuh und seinem Hund sind Meisterstücke, die von keinem Gelehrten ohne Erfahrung können gemacht werden. Aber wer sich in der Welt ein bißchen umgesehen hat, wird sich zu erinnern wissen, daß er Skeed und Lanzen genug gesehen hat. Ich habe mich oft verwundert, wie diese Kerl sich, nur ihren Herren zu gefallen, närrisch stellen mußten und Tag und Nacht nur auf die Wortspielerei studierten, daß sie ihren Herren in Gesellschaften Freude machen konnten. Zuletzt wirds ihnen zur Gewohnheit, daß sie nicht mehr vernünftig reden, alles nur vertrüllt; und wann sie selbst zu Herren werden, ist gar nicht mit ihnen umzugehn. Andere müssen wider ihren Willen närrische Kerl sein – und die sind froh, wenn sie von einem närrischen Herren weg und zu einem vernünftigen kommen können.[343]

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 3, Basel 1945, S. 341-344.
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